Positionen - Elisabeth Wimmer
Die Hirsch-Seife und das Licht

Die Wochen zwischen Ostern und Pfingsten sind eine besondere Jahreszeit, das empfand ich schon als Kind. In der Kirche sangen wir extra frohe Lieder, und im Freien wurde es verlässlich hell und grün. Nun, das mit dem Gesang in den Kirchen war heuer notgedrungen etwas dünner, aber so ein Osterhalleluja lässt sich nicht so leicht verschrecken: Frisch und klar klingt es, noch hat es sich nicht wieder in gewohnte Jahreskreis-Töne eingereiht. Und dann … bald … kommt das Pfingstfest.
Diese Zeit ist die luftige Schwester des Advent: Wo wir vor Weihnachten auf einen unscheinbaren dunklen Winkel schauen, aus dem wir das Neue erhoffen, heben wir jetzt die Augen auf ins Morgenlicht – als ob wir wüssten: Das Neue kommt vom Horizont. Auch jetzt ist eine Zeit der Erwartung, eine Zwischen-Zeit.
Seit ich bei einer längeren Wanderung die sanft wilde Atmosphäre an der flachen Ostseeküste erlebt habe, gibt sie diesen Wochen eine Gestalt: meine Wind und Licht gewordene Pfingstsehnsucht. Mein Erwartungsbild für einen Geist, der Unsicherheit befrieden kann, kritische Unterscheidung stärkt, Einsicht in unbeantwortbare Fragen gewährt, so dass wir die Antworten weniger vermissen. Der zwischen uns weht, dass wir nicht fremd sind.
Und die Hirsch-Seife? Habe ich jahrelang nie verwendet, doch vor kurzem aus gegebenem Anlass hervorgeholt. Man braucht treue Begleiter in solchen Zwischen-Zeiten. Die mit uns gemeinsam tun, was zu tun ist, und helfen, das Noch-Nicht auszuhalten. Bodenständig, vernünftig, mit ein wenig Zitronenduft.

Elisabeth Wimmer

Autor:

Ingrid Hohl aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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