Palmsonntag | 24. März 2024
Meditation

Foto: pexels, CC0

Wir strecken uns aus

Der Ordensgründer und Mystiker Bernhard von Clairvaux meinte: Das Betrachten des Kreuzes soll uns zur Liebe befähigen. Denn das Kreuz lädt uns ein, unser Leben dankbar anzunehmen und unsere Hände zu öffnen.

Dem Himmel entgegenstrecken. Die Vertikale des Kreuzes zeigt in den Himmel: Wir sind durch den Geist nach oben gerichtet und werden so zum Vater ausgerichtet. Abba oder Barabbas – das ist die Entscheidung in der Leidensgeschichte: Wir müssen uns ausstrecken über uns selbst hinaus, aus uns herausgehen, denn wir sind darauf angelegt, uns dem Himmel entgegenzustrecken, uns von seiner Gnade berühren zu lassen.

In der Erde ruhen. Die Vertikale gründet aber auch in der Erde: Wir dürfen der Erde nicht entfliehen, indem wir nur dem Himmel zustürmen. Wir können uns nur nach dem Himmel strecken, wenn wir in der Erde ruhen, in ihr verwurzelt sind. Das Kreuz ist eine Vertikale zwischen Himmel und Erde, zwischen Licht und Dunkel, zwischen Gott und Mensch.

Die Arme ausbreiten. Das Kreuz stellt uns aber auch in die Gemeinschaft der Menschen, es hilft uns, die Arme horizontal auszustrecken. So lehrt uns das Kreuz, solidarisch zu werden. Wenn wir die Arme ausstrecken, so wie sie der Gekreuzigte ausgebreitet hat, dann behalten wir uns nicht für uns selbst, wir lassen den Anderen an uns herankommen, wir lassen uns von ihm treffen und auch verwunden.

Die Gegensätze leben. Vertikale und Horizontale treffen sich im Kreuzungspunkt. Wenn wir in unserer eigenen Mitte ruhen, dann reißt uns dieses Ausgespanntsein nicht auseinander. Wenn die Horizontale von der Vertikalen getragen wird, dann verlieren wir uns nicht an die andern.
Wir erreichen die Ganzheit nur, wenn wir diese Gegensätze wirklich leben. Erst das Kreuz bringt Ordnung in unsere Gegensätzlichkeit. Unser Leben ist ein Auf und Ab. Oft werden unsere geplanten Wege dabei durchkreuzt. Welchen Spuren folgen wir?

Rudolf Bischof, in: Das kleine Buch
zum Pilgern. Tyrolia Verlag 2005.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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