Positionen - Ernest Theußl
Gottesbeweise

Kürzlich habe ich eine ehemalige Schülerin getroffen, die vor mehr als 32 Jahren bei mir im Religionsunterricht gesessen ist. In meiner Erinnerung war sie nicht gerade eine, die sich heiß um religiöse Fragen gerissen hätte, und solche waren bei mir nun einmal auf der Tagesordnung. Neben mehr oder minder heiteren Erinnerungen, die wir austauschten, kam das Gespräch auf den „Stoff“ der achten Klasse. Da sind ihr, so beteuerte sie, bis heute die sogenannten Gottesbeweise in Erinnerung geblieben, die „waren echt stark“. – Meine Verblüffung war nicht gespielt!

Es war damals schon nicht mehr sehr „in“, von den Gottesbeweisen zu sprechen, wo sie doch schon Immanuel Kant alle abgeschafft und widerlegt hatte. Aber ich in meinem unbändigen Drang, alles mit den Mitteln der Vernunft zu hinterfragen, was wir an Glaubensgut anzubieten haben, wollte und konnte davon nicht lassen. Ich erinnere mich gut an einige heftige Debatten dazu, aber dass ich nach über 30 Jahren noch darauf angesprochen werde?

Die Frage nach Gott ist nicht tot! Die Frage nach einem höchsten Wesen, von dem alles ausgeht und auf das hin alles, auch mein Leben, zusammenläuft, ist nicht verstummt. Verstummt sind vielmehr die Stimmen, die das artikulieren können, die Frage nämlich, nicht die Antworten. Die Antwort „Gott liebt dich“ hat nur solange einen Sinn, als wir intellektuell einigermaßen in der Lage sind, eine positive Antwort darauf zu finden, ob es ihn überhaupt gibt.

In dieser für mich so bewegenden Begegnung ist mir klar geworden: Wir müssen Instrumente anbieten, nicht fertige Produkte!

Ernest Theußl

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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