Erzbischof Franz Lackner über den Rosenkranz
„Ein Gebet ist kein Kampf, wir beten für und nicht gegen etwas“

Foto: Neumayr

Das sehe ich geradezu umgekehrt. Beten ist grundsätzlich eine gemeinschaftliche Aktivität, natürlich kann man auch alleine beten. Ein Gebet ist wie Schenken, das geht nicht alleine. Wer ein Gesätzchen für sich betet, weiß sich verbunden mit vielen anderen Betern. Es ist so ähnlich wie mit dem Glauben: Alleine kann man nicht glauben. Es ist tröstlich zu wissen, mit anderen selbst über Tausende Kilometer hinweg vor Gott vereint zu sein.

Interview: JOHANNES WOLF

Was bedeutet Ihnen persönlich der Rosenkranz?
Als Kind habe ich den Rosenkranz natürlich gekannt, da wurde ja etwa am offenen Sarg gebetet, wenn jemand gestorben ist. Als junger Mensch habe ich aufgehört zu beten, war sehr weit weg vom Glauben. Als UNO-Soldat auf Zypern, im Einsatz als Wasserwagen-Fahrer, ist in mir plötzlich die Sehnsucht nach dem Glauben aufgebrochen. Ich wusste jedoch nicht mehr, wie und was ich genau beten sollte. Da fiel mir ein kleines Heftchen mit dem Titel „Bete täglich den Rosenkranz“ in die Hände. „Unmöglich“, dachte ich zuerst, ließ mir aber eine Anleitung samt Rosenkranz schicken. Aber es ist mir gelungen. Meine ersten Erfahrungen waren: Ein Gebet ist nicht nur ein Muss, sondern es trägt. Ein bisschen so, als ob es „in mir betet“. Ähnliches habe ich später im Kloster mit dem Stundengebet erlebt. Heute als Bischof muss ich mir bewusst Zeit nehmen für das Gebet.

Wie sind Sie zur RSK-Gebetsgemeinschaft gekommen?
Ich habe den Gründer der Gemeinschaft, Pater Petrus Pavlicek, noch bei einer den großen Maria-Namen-Feiern in der übervollen Wiener Stadthalle erlebt. Nach meiner Berufung in den Franziskanerorden 1984 bin ich der Gemeinschaft beigetreten. Seither ist der Rosenkranz für mich ein tägliches Gebet, das mich auch durch Krisen in meinem Priesterleben getragen hat. Es gibt Phasen, wo fast gar nichts mehr geht, der Rosenkranz geht immer! Es ist ein wunderbares, uraltes zentrales Gebet unseres Glaubens, das alle Grundgebete vereint. Ich habe schon viele Rosenkränze buchstäblich „zerbetet“ (erzählt der Erzbischof schmunzelnd).

Ist der Rosenkranz nicht ein sehr persönliches, kein Gemeinschaftsgebet?

Das sehe ich geradezu umgekehrt. Beten ist grundsätzlich eine gemeinschaftliche Aktivität, natürlich kann man auch alleine beten. Ein Gebet ist wie Schenken, das geht nicht alleine. Wer ein Gesätzchen für sich betet, weiß sich verbunden mit vielen anderen Betern. Es ist so ähnlich wie mit dem Glauben: Alleine kann man nicht glauben. Es ist tröstlich zu wissen, mit anderen selbst über Tausende Kilometer hinweg vor Gott vereint zu sein.

Ist Beten für den Frieden heute noch angebracht?
Das geeinte Gebet für den Frieden, einst in den 1950er-Jahren bei den großen Prozessionen mit den höchsten Politikern über die ­Wiener Ringstraße, das hat für die Freiheit Österreichs viel bewirkt. Dass heute so ­etwas nicht mehr nötig ist, da bin ich anderer Meinung. Gerade jetzt in der Corona-Pandemie, angesichts der Spaltungen in unserer Gesellschaft, braucht es das Gebet. Es herrscht große Orientierungslosigkeit, die – wie der Soziologe Hartmut Rosa ­meinte – einer tiefen Nachdenklichkeit bedarf. Und das Gebet ist so etwas. Äußerer Frieden muss mein Inneres abbilden. Ich höre im Wort Frieden das Wort Zufriedenheit heraus. Ein unzufriedener Mensch wird kaum etwas zum Frieden beitragen.

Müsste nicht jeder, statt für Frieden zu beten, ganz real Probleme ­anpacken und etwas tun?
Das eine schließt ja das andere nicht aus. Ganz im Gegenteil. Gebet ist mit Tun eng verknüpft. Wir beten für eine gute Sache, für Frieden, für Freiheit. Gebet ist kein Kampf, wir beten für und nicht gegen etwas. Betende Menschen sind bereit, auch etwas zu tun. Mir ist damals auf Zypern klar gewesen, ich möchte jetzt nicht nur anfangen zu beten, ich muss mich auch ändern, ich will etwas leisten, mich für die Gesellschaft, für diese Welt einbringen. Ein Gebet gibt Kraft, macht sensibel und bereit dazu, sich einzusetzen. Es hilft, bei aussichtslos erscheinenden Momenten durchzuhalten, schwierige Situationen anzunehmen und daran zu arbeiten, sie zu verändern. Vielleicht ist diese Dimension etwas verloren gegangen, weil es zu sehr ritualisiert worden ist. Ich könnte mein Leben, meine Arbeit ohne Gebet nicht tun.

Gibt es zwischen Friedensgebet und Spiritualität der Franziskaner eine besondere Verbindung?
Ja, vielleicht. Über den Heiligen Franziskus gibt es die schönen Worte: „Er war nicht so sehr Beter als selbst Gebet.“ Sein Tun und Wirken war Gebet. Es gibt viele Beispiele, wo Franziskus zwischen Streitenden eine friedliche Aussöhnung gesucht hat. Dann hat er sich wieder zum Gebet zurückgezogen. Diese Dynamik, das Zurückziehen und das Hinausgehen unter die Menschen, diese Spiritualität hat mich immer sehr berührt.

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