75 Jahre Gebetsgemeinschaft & Gründer-Geburtstag
Als Tausende für Frieden und die Freiheit Österreichs beteten

Prominente Politiker wie Leopold Figl und Julius Raab (2. und 4. v. l.) marschierten bei den Bitt-Prozessionen mit. | Foto: RSK-Archiv
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  • Prominente Politiker wie Leopold Figl und Julius Raab (2. und 4. v. l.) marschierten bei den Bitt-Prozessionen mit.
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Der „Rosenkranz-Sühnekreuzzug“ löste einst im besetzten Österreich einen wahren „Gebetssturm“ aus. Die weltweit verzweigte Gebetsgemeinschaft hat bis heute Bestand, ihre Geschichte ist eng verknüpft mit ihrem Gründer.

Ribisel zum Nachtisch, das Jahr 1946, Mariazell, Fatima und eine innere Stimme. Diese unterschiedlichen Dinge haben eines gemeinsam: In der Gründungsgeschichte einer der weltweit verzweigtesten Gebetsgemeinschaften spielen sie eine besondere Rolle. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann im besetzten Österreich eine Handvoll Menschen für den Frieden zu beten. Bald fegte ein regelrechter „Gebetssturm“ durch das Land. Als die Freiheit Österreichs erreicht war, verbanden sich in den folgenden Jahrzehnten Millionen Friedensbeter weltweit. Trotz gesellschaftlichen Wandels und sinkender Glaubensbegeisterung hat der „Rosenkranz-Sühnekreuzzug RSK – Gebetsgemeinschaft für Kirche und Welt“ bis heute Bestand. Seine Geschichte ist eng verknüpft mit einem Mann: Gründer Pater Petrus Pavlicek.

Die Eingebung. „Tut, was ich euch sage, und ihr werdet Frieden haben.“ Diese Friedensbotschaft der Gottesmutter in Fatima vernahm der Franziskanerpater deutlich als innere Stimme, als er 1946 im Wallfahrtsort Mariazell vor dem Gnadenbild für die glückliche Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft seinen persönlichen Dank aussprach. Die Worte Marias gingen dem damals im Auftrag seines Ordens durch die Pfarren ziehenden Volksmissionar nicht mehr aus dem Sinn. Lange habe er überlegt, was er mit dieser Eingebung tun soll, erzählte er später. Er beschloss schließlich, eine Gemeinschaft von Rosenkranzbetern zu gründen, die im Geiste der Botschaft von Fatima nicht nur um die Bekehrung der Menschen zu Gott, sondern auch um den Frieden in der Welt und ganz besonders um die Freiheit Österreichs beten sollten.

Als offizieller Gründungstag des RSK in Wien gilt der 2. Februar 1947. An diesem Tag trug Pater Petrus in einem einfachen Schreibheft seine ersten, unter Freunden, Bekannten und Ordensschwestern gefundenen Mitbeter ein. Versehen mit der Uhrzeit, zu der die Mit­glieder der Gemeinschaft jeweils den Rosenkranz beten wollten. Pater Petrus verfolgte ursprünglich die Idee für ein nie abreißendes Friedensgebet rund um die Uhr.

Unermüdlich „sammelte“ der Pater bei seinen Wegen durch Pfarren und Dekanate weitere Mitglieder. Vom damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Innitzer erhielt er die kirchliche Zustimmung für sein Werk. Die für den Aufbau nötigen finanziellen Mittel stammten allesamt aus freiwilligen Spenden – die bis in die Gegenwart einzige Quelle materieller Unterstützung für den RSK.

Zahl der Mitglieder wächst. Ende 1950 waren es gut 200.000, fünf Jahre später mehr als eine halbe Million. Pater Petrus wollte ja mit seinem Werk vor allem eine Antwort auf den Ruf der Muttergottes in Fatima geben. Es war vermutlich jedoch die große Sorge um die Zukunft Österreichs, die damals so viele Menschen unterschiedlichster Herkunft angezogen hat, für Frieden im und Freiheit für das Land zu beten.

Längst reichte der Platz für die „Sühneandachten“ in der Wiener Franziskanerkirche nicht mehr aus. Obwohl Kardinal Innitzer ihm zunächst beschieden hatte, dass „ihr ja eh eine schöne Marienstatue habt“, ließ es sich Pater Petrus nicht nehmen, 1949 selbst bei einer abenteuerlichen Reise aus Fatima zwei Statuen zu holen. Mit der kleineren im Gepäck feierte er in verschiedensten Kirchen Gottesdienste und Andachten.

Die großen Prozessionen. Als 1949 die zweiten freien Wahlen in Österreich anstanden, fürchteten viele, dass die Kommunistische Partei zu gut abschneiden könnte und dies Verhandlungen mit den Alliierten über Österreichs künftigen Status negativ beeinflussen würde. Pater Petrus rief deshalb zu einem fünftägigen „Sturmgebet“ auf – und 50.000 Menschen machten mit. Viele der Teilnehmer waren überzeugt, dass ihre Gebete erhört worden waren: Die Kommunisten erhielt nicht viele Stimmen.

Prominente Politiker wie Leopold Figl und Julius Raab (2. und 4. v. l.) marschierten bei den Bitt-Prozessionen mit. | Foto: RSK-Archiv
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Ein Jahr später – angesichts neuerlich drohender Unruhen – gab es wieder einen Gebetsaufruf. Dieser wurde von der ersten großen Bitt-Prozession durch Wien zur Maria Namen-Feier eingeleitet. Die Zeitung „Das kleine Volksblatt“ berichtete am 12. September 1950 begeistert: „… über 30.000 Personen hatten sich zusammengefunden. Mit großer Freude und Genugtuung wurde allgemein vermerkt, dass an der Spitze der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Bundeskanzler Ing. Dr. Figl mit zahlreichen Mandataren und Funktionären der Österreichischen Volkspartei schritt.“

Ein damaliger Teilnehmer erzählte: „Der Andrang war so groß, dass die ursprünglich geplante Prozession in Viererreihen nicht durchgeführt werden konnte. Der Bundeskanzler, welcher selbst mit Rosenkranz und Kerze mitging, griff ein und gab der Polizei Anweisungen, das Volk in breitem Strom durch die Straßen ziehen zu lassen … diese widerhallten von lautem Gebet, die Glocken der Kirchen mischten sich darein.“ Die Bitt-Prozessionen über die Wiener Ringstraße wurden in den folgenden vier Jahren noch größer.

Prominente Politiker wie Leopold Figl und Julius Raab (2. und 4. v. l.) marschierten bei den Bitt-Prozessionen mit. | Foto: RSK-Archiv
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Politiker überzeugt. Christliche Politiker – allen voran Kanzler Leopold Figl und sein Nachfolger in diesem Amt, Julius Raab – waren überzeugt, dass die Bitten und Gebete der vielen im RSK vereinten Menschen entscheidend dazu beigetragen haben, dass die Russen 1955 – nach 364 erfolglosen Verhandlungs-runden – unerwartet doch ihre Zustimmung zum Staatsvertrag erteilt haben. Bundeskanzler Raab hielt bei den Feiern zur Unterzeichnung des Vertrages fest: „Wenn nicht so viel gebetet worden wäre, so viele Hände in Österreich sich zum Gebet gefaltet hätten, so hätten wir es wohl nicht geschafft.“

Und die Ribisel? Die erlangten erst viel später Bedeutung. Wann genau Pater Petrus in Mariazell die so folgenreiche Eingebung Mariens erhalten hatte, lässt sich nicht mehr feststellen. Jahrzehnte später erinnerte sich eine Schwester der Caritas-Socialis-Schwesterngemeinschaft in Graz, bei der Pater Petrus vor seiner Wallfahrt zu Besuch weilte, an ein nebensächliches Detail: An jenem Tag wurden Ribisel aus eigenem Anbau zum mittäglichen Nachtisch gereicht. Ribisel werden zwischen Ende Juni und August geerntet. Der ideelle Ursprung der Gründung der RSK-Gebetsgemeinschaft muss also im Sommer 1946 gewesen sein. 

Gut besucht waren die Maria Namen-Feiern in der Wiener Stadthalle. | Foto: RSK-Archiv

Hinaus in die Welt
Wie geht es weiter? Das fragte sich Pater Petrus, nachdem das „Wunder“ Staatsvertrag 1955 eingetreten war. Waren die Ziele erreicht, sollte sich der Rosenkranz-Sühnekreuzzug einfach auflösen? Nein. Pater Petrus hielt sich an den Rat, den ihm der Bischof von Fatima gegeben hatte: „Was Sie für Österreich getan haben, das tun Sie nun für die Welt.“

Pater Petrus Pavlicek brachte Millionen Menschen zum Friedensgebet. | Foto: RSK-Archiv

In der Welt gab es genug den Frieden gefährdende Geschehnisse. Vom sich zuspitzenden Kalten Krieg über den Bau der Berliner Mauer bis hin zur misslichen Lage der in kommunistisch regierten Ländern lebenden Christen. Aktuelle Themen, auf die man Bezug nehmen konnte, fanden sich immer. Der Zustrom zur Gebetsgemeinschaft war über Österreichs Grenzen hinaus gewaltig. Allein aus Deutschland, wo auch zum Gebet für das Land aufgerufen worden war, gab es an manchen Tagen bis zu 20.000 Anmeldungen. In anderen Ländern, wie etwa der Tschechoslowakei, bildeten sich ähnliche Gebetsbewegungen. Für viele Menschen ist klar, dass all diese Gebete ihren Einfluss auf die „große Wende 1989“ gehabt haben.

Die Idee des Rosenkranz-Sühnekreuzzuges verbreitete sich weltweit in 132 Ländern. In den 1980er-Jahren überstieg die Zahl der eingetragenen Mitglieder die Zwei-Millionen Grenze. Die jährlich vom RSK getragene Maria Namen-Feier in der bis zum letzten Platz gefüllten Wiener Stadthalle zählte zu den bedeutendsten kirchlichen Veranstaltungen im deutschen Sprachraum.

Friedliche Revolution. Was Beten auslösen kann, dazu findet sich in den Geschichtsbüchern so manches Beispiel. Wie die „Rosenkranz-Revolution“ 1986 auf den Philippinen: Nach einem Aufruf des damaligen Erzbischofs von Manila zum friedlichen Widerstand gegen das Regime des Diktators Ferdinand Marcos versammelten sich Hunderttausende Filipinos vor zwei Militär­kasernen und beteten gemeinsam den Rosenkranz. Der Aufstand endete wenige Tage später unblutig, Marcos flüchtet ins Exil nach Hawaii. l

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