Medizin-Mensch-Moral | Teil 03
Fortpflanzungsmedizin auf dem Prüfstand

Künstliche Befruchtung. Ob jemand eine IVF in Anspruch nimmt, ist in hohem Maß eine Frage des persönlichen Gewissens geworden. | Foto: Fotolia
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Aktuelle Diskussion um IVF

Derzeit dürfte es weltweit über 3 Millionen Kinder geben, die mittels künstlicher Befruchtung gezeugt wurden. In Österreich steigt die Anzahl der jährlichen IVF-Versuche kontinuierlich (6781 im Jahr 2010). Allerdings ist die Reproduktionsmedizin trotz steigender Nachfrage mit vielen zu wenig bekannten Problemen verbunden.

Eine erfolgreiche künstliche Befruchtung bedeutet für die betroffenen Paare meist ein großes Glück, das alles andere vergessen lässt: Die hormonelle Stimulation ist für die Frau oft sehr belastend; vielfach entstehen Mehrlingsschwangerschaften mit hohen Risiken für Mutter und Kinder (oft folgt eine selektive Abtreibung); erfolglose Versuche führen Paare oft psychisch an den Rand der Verzweiflung; ungewiss und ethisch belastend ist das Schicksal der überzähligen Embryonen.

Im Vergleich zu anderen Ländern sieht das Gesetz in Österreich wichtige Einschränkungen für die IVF vor. Eine künstliche Befruchtung darf nur innerhalb einer Partnerschaft stattfinden, Ei- und Samenspende von außen sind ausgeschlossen. Die im Rahmen einer IVF entstehenden Embryonen werden geschützt, indem sie für keine anderen Zwecke verwendet werden dürfen.

Es wird aktuell eine Liberalisierung des Gesetzes gefordert: neben besserer Qualitätskontrolle im Wesentlichen die Öffnung der IVF für allein stehende Frauen und lesbische Paare, die Zulassung von Ei- und Samenspende und von Embryonenadoption. Hier werden große Meinungsverschiedenheiten sichtbar. Sie betreffen unmittelbar ethische Fragen, aber auch Fragen des Menschenbildes: Welches Verständnis haben wir von Ehe und Familie? Was bedeutet Elternschaft? Gibt es überhaupt ein „Recht“ auf ein Kind? Wird das Wohl der Kinder genug ernst genommen? Wissen wir genug über die Folgen der IVF?

Die katholische Kirche war von Beginn an den künstlichen Reproduktionstechniken gegenüber skeptisch eingestellt. Sie fragt, ob die voranschreitende Entkoppelung von Sexualität und Fortpflanzung wirklich gut ist; sie warnt vor der Tendenz, menschliches Leben immer mehr als ein „technisches Produkt“ zu verstehen, über das man dann wie über eine Sache verfügt; sie verteidigt das Recht von Kindern auf einheitliche Elternschaft und warnt davor, dass Eltern ihre eigenen Wünsche auf Kosten des zukünftigen Wohls der Kinder verwirklichen. All das spricht gegen eine Liberalisierung.

Es ist noch nicht absehbar, ob es in Österreich zu einer weitergehenden Liberalisierung kommen wird oder nicht. Angesichts des wachsenden Angebots an medizinischen Möglichkeiten und der Liberalisierungstendenzen gibt es eine große Verantwortung, sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen – für das eigene Leben, für das Gespräch mit anderen, aber auch als Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Diese ist nicht unerheblich für die Gestalt eines zukünftigen Gesetzes.

Walter Schaupp

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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