Offen gesagt - Michael Schadler
Musik und Stille

Foto: Neuhold

Was meint „Fasten mit den Ohren“?

Ich muss gestehen, es kostet mich immer noch Überwindung, wenn ich mich als Organist dafür entscheide, am Ende eines Gottesdienstes in der Fastenzeit auf die Musik zum Auszug zu verzichten. Es führt mir vor Augen, wie sehr wir Menschen „Gewohnheitstiere“ sind und wie notwendig wir deshalb Zeiten brauchen, welche uns aus den „alten Gleisen reißen“, wie es so schön in einem Lied für die Österliche Bußzeit heißt.

Als Kirchenmusiker lädt mich der liturgisch gebotene Verzicht auf reine Instrumentalmusik in den Gottesdiensten der Fastenzeit ein, mein Tun neu am Wert der Stille zu messen: Ist mein Musizieren eine Flucht vor der Stille, oder führt es in diese hinein? Es ist gleichermaßen paradox wie wahr: Musik und Stille sind im Idealfall keine Gegensätze. Sie bedingen einander! In diesem Sinne kann für mich ein liturgisches Fasten mit den Ohren sowohl im Verzicht auf Musik als auch im bewussten Einsatz derselbigen gelingen.

Die Fastenzeit will uns helfen, vermeintlich Selbstverständliches neu als Geschenk wahrzunehmen. Dazu braucht es den Schritt vom passiven Konsumieren hin zum aktiven Wahrnehmen. Gottes Schöpfung ist durchwirkt von seiner Gnade: der morgendliche Vogelgesang, ein helles Kinderlachen, ein kristallklarer Orgelton … Hören wir darauf!

Michael Schadler
ist Referent für Kirchenmusik in der Diözese Graz-Seckau.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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