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Worauf warten?

Der Advent ist eine Zeit des Wartens. Menschen verbringen viel Zeit mit Warten. Schwanger-Sein und Geburt als Geduldsprobe? Was erwartet uns am Lebensende? Die junge Mutter Maria Purkarthofer und der Sterbebegleiter Karl-Josef Lienhart erzählen von ihren Erfahrungen.

(er)warten
Das Wort „Warten“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und hieß einst „Ausschau halten“ oder „auf etwas Acht haben“. Im Advent warten ChristInnen auf der ganzen Welt auf eine besondere Geburt. Maria Purkarthofer, seit einem Jahr Mutter eines Sohnes, erinnert sich, wie die Schwangerschaft ihre Geduldigkeit verändert hat und wie es war, als sich ihr Sohn auf den Weg in unsere Welt machte. Karl-Josef Lienhart begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg oder beim „Heimgehen“, wie er es nennt. Sterbende sehen dem Tod unterschiedlich entgegen. Einige Beobachtungen, die Lienhart als Krankenhausseelsorger und Hospiz-Begleiter bei seinem achtsamen Dienst am Menschen macht, teilt er hier mit uns.

In voller Erwartung auf das Kind, verliert sich jegliches Zeitgefühl

Maria Purkarthofer

ist Pastoralreferentin und Mutter eines einjährigen Sohnes.

Ich bin eigentlich mega ungeduldig. Das weiß auch jeder in meinem Umfeld. Doch ich merke und habe es mit der Schwangerschaft auch nochmal anders bemerkt, dass es einen Unterschied macht, worum es geht. Wenn ich das Gefühl habe, etwas ist umständlich und könnte anders schneller gehen, werde ich rasch ungeduldig. Aber wenn ich weiß, dass das Warten Sinn hat, dann fällt es mir leicht(er). Bei einer Schwangerschaft weiß man, dass es die neun Monate braucht, da sich ja jeden Tag etwas in der Entwicklung des Kindes tut, bis sich das große Wunder vollzieht.Zum Glück konnte ich die Zeit ohne gesundheitliche Probleme erleben.
Zehn Tage vor meinem errechneten Geburtstermin ist das Kind eines befreundeten Paares auf die Welt gekommen, und der Vater meines Kindes und ich haben Fotos vom Neugeborenen gesehen. Da hat sich die Ungeduld schon gemeldet, und ich wollte unser Baby am liebsten auch gleich im Arm halten können.

In freudiger Erwartung
Die Geburt selbst dauerte „nur“ sieben Stunden – da ließ uns unser Sohn also nicht allzu lange warten. Doch was mich im Rückblick wirklich fasziniert, ist der Verlust jeglichen Zeitgefühls währenddessen. Man selbst als Gebärende ist so beschäftigt (vor allem mit Atmen), dass man keine Zeit für Warten hat. Und doch ist man total „in Erwartung“, darauf, dass das Kind endlich da ist.
Mit den ersten Wochen als Mutter, als Familie mit Kind startet eine neue Zeitrechnung – warten, bis er sich sattgetrunken hat, bis er einschläft, und jeden Tag gespannt sein, welche Überraschungen uns morgen er-warten.

Manche Sterbende sind gut vorbereitet, andere haben noch Sorgen.

Karl-Josef Lienhart

ist ehrenamtlicher Krankenhausseelsorger und begleitet Sterbende und deren Angehörige als Hospiz-Begleiter.

Ich sage nicht gern „sterben“ – ich spreche lieber vom „Heimgehen“, das drückt aus, woran ich glaube. Denn ich glaube, wenn wir unser irdisches Leben hier abschließen, dann gehen wir hinüber, heim zu Gott und zu allen unseren Lieben, die bereits vor uns heimgegangen sind. Es gibt auch Menschen, die sagen: „Nach dem Tod ist Schluss.“ Aber ich würde nicht sagen, dass die leichter oder schwerer gehen können. Was ich immer wieder beobachte: Jemand stirbt nicht, obwohl der Körper nicht mehr kann. Angehörige sind dann oft sehr verzweifelt, weil sie das Leiden nicht mehr mitansehen können. Wenn ich frage, ob sie von ungelösten Themen wissen, die den Menschen noch beschäftigen, tauchen da und dort Geschichten auf – meist familärer Art. Etwas hat den Sterbenden hiergehalten, das erst noch gelöst werden muss, bevor er loslassen und gehen kann.

Über den Tod reden
Viele Menschen, die ich besuche, sagen: „Ich kann einfach nicht mehr, ich möchte sterben.“ Jeder, der einmal ein Leiden ertragen hat, kennt das Gefühl, wenn man nur noch will, dass es aufhört. Da bin ich dankbar für die Errungenschaften der Medizin. Heute muss niemand übermäßig leiden.
Manchmal sind Sterbende sehr gut vorbereitet. Das sind dann, wie ich es nenne, die Bilderbuchgeschichten. Menschen, die zufrieden auf ihr Leben zurückschauen und wissen, dass sie Abschied nehmen müssen. Aber viele Sterbende haben auch Sorgen. Wer wird sich um mein behindertes Kind kümmern? Was wird werden? Doch in guten Tagen, wenn alle beisammen sind, wird nicht darüber gesprochen. Das lege ich jedem ans Herz: Redet darüber!

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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