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Neu denken - reicht das?

Mit der österreichweiten Kampagne „Denk Dich Neu“ möchte die Katholische Kirche junge Menschen erreichen. Warum? Das erklärt Lucia Maier vom Team Jugendpastoral der Katholischen Kirche Steiermark. Warum das so schwer ist? Darüber hat Julian Melichar nachgedacht.

Wie sexy ist die Kirche?
Junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren haben statistisch gesehen am wenigsten Berührungspunkte mit der Katholischen Kirche in Österreich (und wohl auch darüber hinaus). Hier möchte die Kampagne „Denk Dich Neu“ ansetzen. Warum es diese Kampagne gibt und was sie möchte, erklärt uns die „Denk Dich Neu“-Ansprechpartnerin in der Steiermark, Lucia Maier vom Team Jugendpastoral der Katholischen Kirche Steiermark. Warum ist es für die Kirche
so schwierig bei jungen Menschen zu landen? Darüber hat sich der angehende Journalist Julian Melichar Gedanken gemacht.

Die Katholische Kirche Österreichs sucht aktiv die Begegnung mit jungen Leuten.

Lucia Maier

vom Team Jugendpastoral der Katholischen Kirche Steiermark ist Ansprechpartnerin von „Denk Dich Neu“ in der Steiermark

Begegnung ist eines der Schlüsselwörter in den Evangelien: Jesus begegnet ganz unterschiedlichen Menschen und er begegnet ihnen völlig unprätentiös, auf Augenhöhe und stets mit Interesse an ihrer Person und ihrem Leben. Dabei fällt auf, dass er vor allem Zielgruppen in den Blick nimmt, die gesellschaftlich ein wenig oder gänzlich unter dem Radar verschwinden, wenig gesehen und gehört werden.
Heute, 2000 Jahre später gibt es viele Gruppen, die innerhalb der katholischen Kirche wenig bis gar nicht gehört werden. Eine dieser Gruppen ist die der jungen Erwachsenen. Darum sucht die Katholische Kirche Österreichs nun aktiv den Dialog und die Begegnung mit den jungen Menschen.

Kirche denkt sich neu
Die österreichweite Kampagne „Denk Dich Neu“ möchte junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren zur Selbstreflexion anregen und Möglichkeiten bzw. Impulse bieten, mit Kirche und Glaube an unvermuteten Orten und in ungewohnten Kontexten in Kontakt und Beziehung zu kommen. Die Events, die im Rahmen von „Denk Dich Neu“ angeboten werden, wollen zugleich einen Benefit für die jungen Menschen und für die Kirche bieten: neue (Ein)Sichten, neue Kontakte, positive Erfahrungen, Inspiration u. v. m. Die Kirche sucht dabei den Kontakt insbesondere zu jenen jungen Menschen, mit denen sie bisher wenig bis gar keine Berührungspunkte hatte. Gleichzeitig möchte Kirche sich auch selbst neu denken und sich von den Lebenskompetenzen und Glaubensweisen der jungen Erwachsenen bereichern lassen. Kirche zeigt sich dabei ergebnis- und begegnungsoffen. Näheres siehe Beilage und unter www.denkdichneu.at

Die Kirche hat jetzt die allerletzte Chance, sich glaubhaft zu öffnen.

Julian Melichar

(24) ist Journalist der Kleinen Zeitung (Außenpolitik/International)

Es gibt keine Glaubenskrise der Jugend. Es gibt eine Kirchenkrise. Tausende von engagierten Jugend-ArbeiterInnen, progressive Predigten und Projekte der Nächstenliebe werden daran nichts ändern können. Nicht einmal ein moderner Papst Franziskus, der sich Themen wie Umweltschutz, Toleranz, autokratische Politikstrukturen nähert, wird imstande sein, dieses Wunder zu vollbringen. Und dennoch: Die Basis muss sich nicht verändern, es ist die Obrigkeit, die es den jungen Generationen (und im Grunde auch sich selbst) schuldig ist. Aber wo bleiben die Pfarrerinnen? Wo die Akzeptanz von homosexuellen Paaren? Wo die GLAUBHAFTE Aufklärung über zigfache Missbrauchsfälle in der Kirche? Wo bleibt die Demut? Müssen denn nur Gläubige demütig sein? Wo der Spielraum, die Veränderbarkeit, das Verständnis für die menschliche Fehlbarkeit, die uns doch im wahrhaftigsten Sinne von einem göttlichen Wesen unterscheidet?

Kirche kann mehr sein
Die Spaltung, die moralische Eitelkeit, der Mief eines selbstsüchtigen Wertekanons, das alles muss ein Ende finden. Endlich. Das sollte eigentlich gar nicht so schwer sein. Die Jugend ist nicht ohne Gott. Sie strebt nach Spiritualität. Ob beim Yoga, in der Meditation oder im Schutz allen Lebens. Die Kirche kann mehr sein als eine Liturgieblase. Was Faktum ist: Sie hat jetzt, vermutlich zum allerletzten Mal, die Chance, sich glaubhaft zu öffnen. Die Rolle einer Konsensgemeinschaft einzunehmen, in der man nicht böse Blicke austauscht, sondern sich auf Augenhöhe begegnet. In der jeder und jede seinen Platz findet. In der Glaubensgemeinschaft – nicht zwingend auf der Kirchenbank.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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