Positionen - Elisabeth Wimmer
Sie öffnen uns den Augenblick

Warum braucht unsere Gesellschaft Kunst und Kultur? Warum Konzerte, Literatur, Ausstellungen, Theater, Brauchtum, Kabarett und die Menschen, die für all das arbeiten? Weil diese eine Auszeit vom Alltag anbieten und zur Erholung beitragen. Weil sie uns zum Nachdenken anregen. Wenn sie ihre Sache gut machen, verbinden sie uns mit unseren Wurzeln, beschreiben Leid, für das wir keine Worte haben, drücken Gefühle aus, die wir dann besser spüren. All das hilft uns leben.
Weil Orchester, Ensembles und Chöre zum Hinein- und Hinaushorchen verleiten. Als Architekten von Hörräumen ziehen sie uns in ihren Bann, machen Feste feierlicher, stille Stunden ruhiger, Partys fröhlicher. Weil bildende KünstlerInnen mit uns üben, Formen zu unterscheiden. Weil LiteratInnen für uns fremdes Leben erschreiben.
Weil SchauspielerInnen anderes Leben leibhaftig verkörpern. Das braucht Mut (auch, dass wir uns manchmal in ihnen wiedererkennen). Weil sie auf der Bühne lachen und weinen, bis uns die Tränen kommen, weil sie schwitzen, bis uns selbst heiß wird, Rat suchen und wir uns getröstet fühlen. Weil sie im Theatersaal eine Stille beseelen, die wir hören können.
Warum unsere Gesellschaft Kunst- und Kulturschaffende braucht? Weil sie uns ihre Präsenz leihen, ihre Stimme, Atem und Bewegung, ihren Blick auf die Formen der Welt. Und weil sie uns damit in ihre permanente Übung hineinnehmen, das Training des Augenblicks. Weil sie mit Leib und Seele einer zentralen Lebenssehnsucht Ausdruck geben. Weil sie uns den Augenblick öffnen.

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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