Positionen - Ernest Theußl
Physik und Metaphysik

Es war ein erhebender Augenblick für uns alle, als der Österreicher Anton Zeilinger den Nobelpreis für Physik entgegennahm. Mit seinen Forschungen hat er – wie man uns sagt – bahnbrechende Einblicke in das Innerste der Natur („ta physika“) freigelegt – für die halt, die das noch nachvollziehen können.

Was aber ist das, was über die Natur hinausgeht, das berühmte „ta meta ta physika“, wie es Aristoteles formuliert hat? Schon von der Schule her bin ich es gewohnt, Metaphysik mit etwas Geistigem zu verbinden. Seit 24. Februar des Vorjahres sehe ich das anders.

Da tobt ein handfester und grausamer Angriffskrieg am Rande unseres Kontinents, den der Moskauer Patriarch Kyrill „metaphysisch“ nennt, ein Kampf des Guten gegen das Böse. Nicht der Kriegstreiber Putin, nicht die russischen Militärs, nicht die Raketen und Panzer, die auf das Nachbarland abgeworfen werden und unsägliches Leid verursachen, sind das Böse, sondern es ist der „heilige Krieg“ gegen den bösen Westen. Und den jungen Männern, die dafür ihr Leben lassen müssen, verspricht der Patriarch die vollkommene Vergebung ihrer Sünden. Das ist die radikale Perversion unserer bisherigen Vorstellungen von Erlösung, und die wird beim orthodoxen Weihnachtsfest noch genüsslich zelebriert. Weiß Kyrill eigentlich, was „Frohe Botschaft“ heißt?

Worunter ich besonders leide: Dieser Krieg hat so manches pazifistische Ideal, das ich mit der Frohen Botschaft der Bibel verbinde, zerstört und ein Gefühl der Ohnmacht und Verzweiflung hinterlassen.

Ernest Theußl

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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