Positionen - Karl Veitschegger
Krise und Phantasie

Krisensituationen regen die Phantasie an. Und das ist zunächst einmal gut. Menschen entwickeln erstaunlich gute Ideen, um sich und anderen zu helfen, Not zu lindern, Krankheiten zu besiegen usw.
Aber es gibt auch die dunkle Seite: Verschwörungsphantasien. Beim Brand Roms bezichtigte Nero die Christen, Feuer gelegt zu haben; in der Pestzeit beschuldigten Christen die Juden, Brunnen zu vergiften; am Anfang der Neuzeit verurteilten katholische und protestantische Richter Hexen als Ursache für Unwetterkatastrophen. Ja, zu jeder Zeit (er)fand man für Unglücksfälle, die man nicht durch beweisbare Fakten klären konnte, Schuldige: die Jesuiten, die Protestanten, die Freimaurer, den Vatikan … – und immer wieder die Juden.
Dass auch die Corona-Pandemie nicht nur konstruktive Energien, sondern bei manchen Menschen dunkle Phantasien freisetzen wird, war klar. (Dass sich dazu auch einige Bischöfe und Kardinäle hinreißen ließen, hat mich dennoch verwundert.) Rasch entstanden Überzeugungsgemeinschaften, die sich als Opfer dunkler Mächte wähnen und mit Eifer Feindbilder zimmern. Und es gibt andere, die Ängste politisch nützen.
Als Christ erinnere ich mich in Krisenzeiten gerne an das Jesuswort: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ (Mk 14,38) WACHT! – also träumt nicht, seid nüchtern, prüft Fakten, seid realistisch und kritisch! Und BETET! – vertraut in jeder Situation Gott, bittet um klaren Verstand, um Phantasie und Kraft zum Guten! So widersteht ihr der Versuchung, andere zu dämonisieren, euch unkritisch Führern zu unterwerfen oder gar zu verzagen.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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