Kontrapunkte - Sonntagsblatt_Plus
Langeweile oder immer etwas los?

„Mir ist fad“ – was also tun?
„In der Ruhe liegt die Kraft“ oder eher „Wer rastet, der rostet“? Welchem Sprichwort sind Sie eher zugeneigt? Oder was mussten Sie sich in Ihrer Kindheit anhören: „Sitz doch endlich mal still!“ oder eher „Weißt du schon wieder nichts mit dir anzufangen?“ Wenn es um Bewegungsdrang und Aktivität geht, sind wir Menschen einfach sehr unterschiedlich. Die einen müssen den ganzen Tag herumkramen, andere können richtig gut nichtstun – und werden damit an einem Tag gar nicht fertig. Christine Schwarzenberger beschreibt die Vor- und Nachteile beider Seiten – mal Langeweile aushalten, aber auch eine gute produktive Struktur leben.

Volles Freizeitprogramm oder auch einmal Löcher in die Luft starren? Wie wir unsere freie Zeit gestalten, beeinflusst unser Wohlbefinden. Christine Schwarzenberger arbeitet mit Kindern, Erwachsenen und älteren Menschen und erzählt von Vor- und Nachteilen der Langeweile:

Wann war Ihnen das letzte Mal langweilig? Wenn Sie jetzt länger überlegen müssen, ist meine These wohl schon belegt: Ich denke, Langeweile ist inzwischen ein Luxus geworden, den Menschen kaum noch kennen. Auch Kinder nicht: Immer wieder treffe ich Kinder, die zusätzlich zur Schule mit Terminen eingedeckt sind: Sportkurse, Musikstunden – alles tolle Dinge und super, wenn Eltern vieles ermöglichen, aber mein erster Impuls ist dann: „Und wann hast du Zeit zum Spielen?“.
Kinder brauchen die Zeit, sich frei und absichtslos zu beschäftigen. Aber auch wir Erwachsene sollten uns „Narrenkastl schauen“- und „Löcher-in-die-Luft-starr“-Zeiten gönnen. Es gilt, dem gesellschaftlichen Druck zu entkommen, der, aufgebaut durch alte Sprüche wie „Wer rastet, der rostet“, eine scheinbare Dauerbetriebsamkeit verlangt.

Einfach mal nichts tun – kann man üben!
Doch gepflegte Langeweile will gekonnt sein: Denn auch wenn ich körperlich nichts tue, weil ich gerade auf der Couch sitze, kann ich mich vom Nichtstun ablenken: am Fernseher zappen, am Handy wischen oder ähnliches.
Probieren Sie einmal bewusst, NICHTS zu tun! Ich weiß – zu Hause ist das oft schwer, weil man ja ständig Arbeit sieht: Dort liegt etwas zum Wegräumen, und da könnte auch wieder gewischt werden – aber nein: Versuchen Sie es: einfach nur da sitzen oder liegen und die Gedanken schweifen lassen, nicht bewusst grübeln oder Probleme wälzen, einfach sehen, was kommt, und es auch wieder ziehen lassen. Vielen kommen in solchen Momentan die besten Ideen! Und vielleicht wird Ihnen dabei sogar seit langem wieder einmal wirklich langweilig? Wer weiß!

»Ein Leben, in dem man sich wohlfühlen kann, braucht Struktur«
Christine Schwarzenbergerist als Referentin u. a. für das katholische Bildungswerk tätig.

Langeweile oder Nichts-Tun kann auch in ungesunde Formen von Lethargie abgleiten. Ausnahmsweise einmal einen Tag im Bett verbringen kann eine genussvolle Art der Erholung sein, aber aus Antriebslosigkeit vielleicht tagelang nicht mehr aus dem Bett oder der Wohnung herauskommen ist ein Zeichen für seelisches Ungleichgewicht und kann Symptom einer ernst zu nehmenden Erkrankung sein.
Ein Leben, in dem man sich wohlfühlen kann, braucht auch Struktur und damit Programm. Wie eng oder weit der Rahmen gesetzt wird, ist abhängig vom eigenen Charakter. Was in jeder Lebensstruktur Platz haben sollte, ist Zeit für Bewegung. Unser Körper heißt nicht umsonst Bewegungsapparat. Wir sind dafür gebaut, uns zu bewegen – in unterschiedlichem Maß und je nach Vorliebe.

Tun, wonach einem der Sinn steht

Für jegliche Freizeitgestaltung sollte das Hören auf die eigenen Bedürfnisse ganz oben stehen. Was würde ich jetzt gerne machen? Worauf habe ich gerade wirklich Lust? Und nicht: Was muss ich tun? Oder gar: Was wird von mir erwartet? Nicht immer weiß man auch gleich, wonach einem gerade ist – und da kann auch ein Moment des Innehaltens helfen: in sich hineinhören und zulassen, was an Wünschen oder Bedürfnissen hochkommt, und sich dann auch erlauben zu tun, wonach einem der Sinn steht.
Bei Kindern kann aus einer Phase der Langeweile, durchsetzt mit der sich wiederholenden Aussage „Mir ist so fad!“, plötzlich eine neue Idee entstehen, die dann ganz den eigenen Bedürfnissen entspricht und sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglicht.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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