Missio
Missio Österreich feiert 100-Jahr-Jubiläum

Die Laienmissionarin Pauline Marie Jaricot (1799–1862) legte den Grundstein für Missio. | Foto: Clemens Maria Fuchs
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  • Die Laienmissionarin Pauline Marie Jaricot (1799–1862) legte den Grundstein für Missio.
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Die Päpstlichen Missionswerke in Österreich (Missio) feiern 100 Jahre. Wie alle Werke in den 150 Ländern weltweit, an dessen Spitze Papst Franziskus steht, hilft auch die österreichische Organisation den Menschen in den ärmsten Ländern durch Gebet und finanzielle Mittel, macht sich stark für die wachsende Weltkirche und die Ausbildung von Priestern. Nationaldirektor P. Karl Wallner spricht über das Jubiläum und eine ganz besondere Frau.

Was die Gründung der Päpstlichen Missions­werke betrifft, so spielte eine junge Frau eine wesentliche Rolle, nicht wahr?
P. Karl Wallner: Ja, Missio ist einzigartig und nicht um des Organisierens willen für die Weltmission gegründet worden, sondern wir sind entstanden aus einer geistlichen Bewegung, die Pauline Marie Jaricot vor 200 Jahren geschaffen hat. Sie war Tochter eines reichen gläubigen Seidenfabrikanten im französischen Lyon. Mit 17 Jahren hatte sie plötzlich eine radikale Bekehrung erlebt, ihre soziale Ader und Nächstenliebe entdeckt und von da an eine große Hingabe zu Jesus gelebt.

Was waren die markantesten Punkte und Entwicklungsschritte von Missio im Laufe der Zeit?
Wallner: Zunächst einmal steht zu Beginn das „Werk der Glaubensverbreitung“ für die Missionen, das Pauline Jaricot 1822 in Lyon ins Leben ruft. Diese Frau ist ja begeistert vom Gebet und der Mission und sie hat die Idee, dass jedes Mitglied dieser geistlichen Bewegung täglich beten und einmal wöchentlich einen Sou für die Mission spenden soll – das ist umgerechnet heute ein Euro-Cent. Das kann sich jeder leisten. Dadurch entstehen jene Säulen, die bis heute zentral sind: Gebet, Nächstenliebe und finanzielle Mittel, um die Missionen, die damals von Frankreich ausgehen, zu unterstützen. Ich habe diese Kirchen selber gesehen in Haiti, in Myanmar, im Senegal, die im 19. Jahrhundert durch Pauline Jaricot möglich geworden sind. Eine zweite wichtige Sache ist, dass sie 1826 ein System des gegenseitigen Gebetes initiiert, den „lebendigen Rosenkranz“, wo jeder täglich ein Gesätzchen betet und sich verpflichtet, weitere zehn Mitglieder dafür zu gewinnen. Sie ist damit sehr erfolgreich, denn 1862 gibt es schon 2,5 Millionen Franzosen, die mitmachen. Es ist die Idee der Verbreitung, des Wachstums, des Betens für andere, die Sorge für Kontinente, die Christus noch nicht kennen.

Wie ging es dann weiter?
Wallner: Die private Laieninitiative dieser jungen Frau ist der Ursprung der Päpstlichen Missionswerke. 1922 wandelt Papst Pius XI. das „Werk der Glaubensverbreitung“ um und es entstehen die „Päpstlichen Missionswerke“ mit Sitz in Rom, die derzeit Vertretungen in 150 Ländern weltweit haben. Ich bin einer dieser Nationaldirektoren, die immer vom Papst über Rom ernannt werden. Meine Aufgabe ist zu schauen, dass wir in Österreichs Kirche nicht nur an uns selber denken, sondern solidarisch auch an die gesamte Weltkirche. Wir sind mit unseren 4,9 Millionen Katholiken in Österreich nur 0,37 Prozent der Weltkirche. Und wichtig ist natürlich, dass wir uns im Gebet verbinden.

Ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr ist die Seligsprechung der Laienmissionarin am 22. Mai. Was ist für Sie das Besondere an Pauline Marie Jaricot?
Wallner: Wenn man ihre Biografie liest, erfährt man, dass sie körperlich eine schwache Frau war, immer kränklich und belastet. Trotzdem gibt sie alles für die Weltmission. Sie lässt sich nicht beirren und wirft ihre ganze Energie, ihre ganzen Verbindungen, das gesamte Familienvermögen, das sie erbt, hinein, um für Gott, für die Mission etwas zu tun. Das beeindruckt mich am meisten. Dabei denke ich an Paulus, der sagt, wenn ich schwach bin, bin ich stark. Durch Rückschläge hat Pauline Marie Jaricot eine gewisse Zähigkeit entwickelt und in der Schwäche hat sich eine Stärke gezeigt. Sie hat nicht darauf gewartet, dass jemand anderer etwas tut, sie hat selbst getan, was sie konnte. Dadurch ist sie zur Mutter der Weltmission geworden.

Sie hat offensichtlich eine tiefe innere Berufung im Herzen gespürt ...
Wallner: Ja. Als Jugendliche war sie hübsch und sehr kokett, tanzte auf vielen Bällen. Und dann trifft sie zufällig auf den Priester Abbé Würtz, der sehr schroff und warnend predigt. Er war kein charmanter Charismatiker, sondern eher ein Haudegen. Aber was er in seiner Predigt über die Illusionen der Eitelkeit sagt, trifft sie sehr. Vielleicht ist es ein Signal, dass Erschütterungen im Leben manchmal gar nicht schlecht sind, um uns auf die rechte Spur zu bringen. Sie wird dann aus diesem inneren Drang heraus leben, wie kann ich anderen Gutes tun. Aber sie begeistert sich nicht nur für die Weltmission. Sie will auch gegen die Ausbeutung und Not der Arbeiterinnen und Arbeiter in Lyon kämpfen. Deshalb plant sie, eine Fabrik zu bauen, in der es sozial gerecht zugeht. Dabei verliert sie allerdings ihr ganzes Vermögen, weil sie betrogen wird. Sie stirbt schließlich mit 62 Jahren krank und verarmt.

Welche Bedeutung hat die Arbeit von Missio für Sie als Nationaldirektor?
Wallner: Ich bin seit über fünf Jahren im Amt und sehe, dass die Weltkirche, die ich jetzt erlebe, anders ist als die Kirche hier in Österreich. Bei uns ist es eher ein bisschen stagnierend, während wir sonst überall den Aufbruch haben. Vielleicht weil in den Ländern des Südens fröhlicher geglaubt wird. Die Probleme sind dort nicht geringer, es gibt wie bei uns zu wenig Priester, aber sie haben 3,2 Millionen Katechetinnen und Katecheten. Es gäbe also vieles, das wir schleunigst von der Weltkirche lernen sollten, auch jetzt im Prozess der Synodalität. Für meine Arbeit ist wichtig: verbinden. Informieren. Das Füreinander-Beten stärken. Seminaristen durch Priesterpatenschaften unterstützen. Wir bringen den Menschen die Frohe Botschaft, die sich durch Nächstenliebe und Unterstützung ausdrückt. Und wir fördern Personen in ihrer Dynamik der Nächstenliebe. Dafür haben wir einen eigenen Preis geschaffen in Form eines Bronze-Esels, den EMIL. Er wird an missionarische Persönlichkeiten verliehen, die wie die Esel arbeiten, aber nicht in den Seitenblicken sind. So sehen wir ihre Arbeit der Nächstenliebe in den Missionen und diese konkrete Heiligkeit, die aus dem christlichen Glauben kommt und die in einer wirklichen Lebenshingabe mündet. Das ist für mich das Faszinierende bei Missio.

Wenn Sie in die Zukunft blicken – welche Herausforderungen stehen für Missio noch an?
Wallner: Das größte Problem ist das Bekanntmachen der Weltkirche. Wie groß und wie lebendig sie ist, wusste auch ich vor meiner Zeit als Missio-Nationaldirektor nicht. Wir haben weltweit 414.000 Priester, 680.000 Ordensfrauen, 3,2 Millionen Katechetinnen und Katecheten, 5.100 Krankenhäuser. Und wenige wissen, dass wir jährlich um 16 Millionen Katholiken mehr sind auf dem Planeten. Niemand weiß, wenn man es nicht erlebt hat, wie aufopfernd Ordensschwestern in Afrika oder in Myanmar ihr Leben investieren für alte und kranke Menschen in Pflegeheimen und Spitälern, oder für Kindersoldaten – sieben Tage die Woche, 52 Wochen pro Jahr. Meine Aufgabe ist es, wie schon gesagt, das bekannt zu machen und auch ein bisschen lästig zu sein. Wir sind eines der wohlhabendsten Länder und es braucht die Unterstützung der Weltkirche. Ich hoffe, dass es noch besser gelingt, die Gläubigen, aber auch die Nicht-Gläubigen hier in unserem Land zu sensibilisieren, dass sie in dieser Welt wirklich etwas verändern können über diese Menschen, die wir unterstützen – Schwestern, Priester, Bischöfe, Missionarinnen und Missionare, die ihr Leben investieren für die Ärmsten der Armen.

Interview: Susanne Huber

Zur Sache

Missio feiert heuer 100-­jähriges Bestehen in Österreich. Die Päpstlichen Missionswerke wirken in 150 Ländern der Welt. Als eine der größten Spendenorganisationen Österreichs engagiert sich Missio mit Papst Franziskus an der Spitze für die Stärkung der wachsenden Weltkirche, vor allem in den Ländern des Südens. Missio ist weltweit durch das globale Netzwerk der Kirche bei den Ärmsten der Armen, wo Hilfe am dringendsten benötigt wird: in Kriegsgebieten, um Kindern eine Zukunft zu schenken, bei Hungernden und Ausgegrenzten, bei durch Naturkatastrophen Leidenden, bei denen, die von vielen vergessen werden. 2020 konnten so von Österreich aus 575 Hilfsprojekte in Afrika, Asien und Lateinamerika mit über 7,4 Millionen Euro unterstützt werden.

100 Jahre Missio
Im Jubiläumsjahr finden 24 teils prominent besetzte Veranstaltungen, Hilfsprojekte und Spendenaktionen statt, die auch den Opfern des Ukraine-Krieges zugutekommen. Offiziell gestartet wurde das 100-Jahr-Jubiläum am 29. April mit einer Musikshow „Electric Church“. Der international bekannte Star-DJ Sergio Manoel Flores ließ dabei Passagen aus der Bergpredigt durch moderne Arrangements in der Wiener Votivkirche erklingen. Der Reinerlös geht an das derzeit größte Missio-Projekt – an das geplante Sankt-Karl-Borromäus-Krankenhaus in Mosambik.
Ein weiteres Highlight ist die Seligsprechung der „Gründerin“ der Päpstlichen Missionswerke, Pauline Marie Jaricot (1799–1862). Sie wird am 22. Mai in ihrer Heimatstadt Lyon zur Ehre der Altäre erhoben.
Natürlich werden auch wieder die beiden jährlichen Fixpunkte von Pfarrsammlungen stattfinden: der Weltmissionssonntag im Oktober und die Priestersammlung am Dreikönigstag 2023.

Infos unter: www.missio.at

Die Laienmissionarin Pauline Marie Jaricot (1799–1862) legte den Grundstein für Missio. | Foto: Clemens Maria Fuchs
P. Karl Wallner ist Professor und Priester der Zisterzienser im Stift Heiligenkreuz und wirkte dort u. a. als Jugendseelsorger. Er war Gründer und Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz. Seit 1. September 2016 ist er Missio-Nationaldirektor für Österreich. | Foto: Missio

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