12. Sonntag im Jahreskreis | 19. Juni 2022
Kommentar

Wenn Machtverlust zur Gnade wird

Es wird heute vielfach beklagt, dass das Christentum im öffentlichen Leben zu wenig sichtbar ist, dass die Kirchen an Einfluss verlieren und das Zeugnis für Jesus und christliche Werte kaum mehr vernehmbar ist. Wenn damit der Verlust einer Machtposition gemeint ist, dann brauchen wir ihr nicht nachtrauern. Überzeugender als das, was wir verkünden, ist ohnehin das, was wir tun, wie wir als Christen handeln und unser Leben gestalten, ob die Strahlkraft des Evangeliums, die Freude an der Gemeinschaft mit Christus und seine vorbehaltlose Liebe zu allen an uns ablesbar ist. Der Relevanzverlust der Kirche kommt zu einem großen Teil daher, dass Reden und Tun zu weit auseinanderklaffen, dass es an Glaubwürdigkeit mangelt.

Wenn uns diese Ohnmachtserfahrung auch bedrängt und verunsichert, sollten wir doch nicht übersehen, dass sie uns zugleich in die Spur Jesu bringt. Es ist bemerkenswert, dass Jesus nach dem Christus-Bekenntnis des Petrus seinen Jüngern verbietet, dies weiter zu erzählen. Offenbar ist dieses Wissen zu brisant, um es in Worte zu fassen, und die Gefahr des Missbrauchs, wenn man davon redet, ohne das, was Christus-Sein bedeutet, ganz verinnerlicht zu haben, zu groß.

Das einzige Zeugnis, das Jesus zulässt, ist die Nachfolge auf seinem Weg – auch, wenn dieser zum Kreuzweg wird. So gesehen sind die gegenwärtigen Ohnmachtserfahrungen der Kirche eine Gnade. Wer die Kirche retten will, wird verlieren. Wenn aber jemand alles geben kann in der Nachfolge Jesu und in der Liebe zu den Menschen, dann ist viel gerettet.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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