6. Sonntag im Jahreskreis | 13. Februar 2022
Kommentar

Glückseligkeit und Wehklagen

Bei den Olympischen Spielen liegen Glückseligkeit und Wehklagen oft sehr eng beieinander. Ausgelassene Freude und trostlose Niedergeschlagenheit trennen manchmal nur ein paar Hundertstelsekunden oder Zentimeter. Und auch ein „Sieg für die Ewigkeit“ ist keine Garantie für ewig anhaltende Glücksgefühle. Ob das Leben dieses Menschen glückt oder scheitert, hängt von ganz anderen Faktoren ab. Viele Sportlerinnen und Sportler sagen, sie hätten durch Niederlagen viel mehr gelernt als durch Siege und seien daran als Mensch mehr gereift.
Die Seligpreisungen Jesu nehmen ebenfalls das ganzheitliche Gelingen des Lebens in den Blick, nicht bloß momenthafte Beglückung oder vordergründige Zufriedenheit. Es ist weder Zynismus noch billige Vertröstung, wenn er die Armen, die Hungrigen, die Weinenden und die Gehassten anspricht. Um das zu verdeutlichen, stellt Lukas den Seligpreisungen vier Wehe-Rufe gegenüber. Und auch diese verstehe ich nicht als Drohung vor einem strafenden Gott, sondern als Hinweis auf die Gefahren, die Reichtum, Sattheit und ein selbstgefälliges Leben mit sich bringen.
Nicht wer auf den eigenen Reichtum vertraut, wird glücklich, sondern wer sich seiner Armut bewusst ist und fähig, sein Leben als Geschenk zu betrachten. Nicht, wer übersättigt ist und nichts mehr an sich herankommen lässt, wird glücklich, sondern wer noch Hunger hat auf das Leben und offen ist für Neues. Glücklich wird, wer noch fähig ist zu weinen und Mitgefühl zu zeigen, nicht wer über all das Leid und Unrecht in der Welt nur lachen kann.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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