Plädoyer für die Zukunft | Frage 6
Wer hat die richtige Religion?

Der menschliche Geist wird in dieser Welt das Göttliche nie ganz verstehen. Die Religionen halten, mit den Worten von Karl Rahner, diesen Horizont offen:  „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“
 | Foto: Brigitte Petry, Monotheismus, 2015
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  • Der menschliche Geist wird in dieser Welt das Göttliche nie ganz verstehen. Die Religionen halten, mit den Worten von Karl Rahner, diesen Horizont offen: „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“
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In acht Plädoyers deutet Hans Putzer zeitdiagnostisch diese Fragen ein weiteres Mal. Er war zwischen 2009 und 2012 Präsident der Katholischen Aktion Steiermark und von 2010 bis 2018 Direktor im Bildungshaus Mariatrost. Seit 2018 arbeitet er im Bürgermeisteramt der Stadt Graz und ist unter anderem für die Bereiche Menschenrechte, Religionsgemeinschaften und Bürgerbeteiligung zuständig.

Also ganz ehrlich: Was soll im 21. Jahrhundert noch die Frage: „Wer hat die richtige Religion?“ Genau genommen hat uns schon Gotthold Ephraim Lessing in seinem „Nathan der Weise“ (1779) die Antwort darauf gegeben: Die wahre Religion sei nicht zu erkennen, jeder solle an die seine glauben und durch sein Handeln „vor Gott und den Menschen angenehm“ seinen Glauben zur Wirkung bringen. „Es eifre jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach.“ Erst am Ende der Zeit werde ein „weisrer Mann“ am Richterstuhl die Antwort geben.
Dass der Autor unter anderem auch für diese Gedanken von der Römischen Inquisition auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt worden ist, mindert nicht weiter die Überzeugungskraft der Lessing’schen Gedanken, ganz im Gegenteil.
Switchen wir ins 21. Jahrhundert: Im April 2005 wählten die Kardinäle Joseph Ratzinger zum neuen Papst. Wie schon bei seinen Vorgängern – beispielhaft seien hier Pius XII. oder Johannes Paul II. genannt – war diese Wahl auch der Versuch einer Antwort auf die, als am dringendsten empfundene, Herausforderung der säkularen Welt zu geben. Ratzingers lebenslange intellektuelle Auseinandersetzung mit dem „Relativismus“, der ja jeden religiösen Wahrheitsanspruch als grundsätzlich uneinbringbar sieht, dürfte im Konklave keine geringe Rolle gespielt haben. Nüchtern betrachtet blieb Ratzinger bei diesem Thema allerdings wenig wirkmächtig. Wie auch angesichts von kultureller Herkunftsvielfalt und liberaler Demokratie?

Glaube und Wahrheit

Letztlich ist es ja in einer – im philosophischen Sinn – „aufgeklärten“ Gesellschaft ein unauflösliches Dilemma: Wie können Religionen ihren Anspruch auf letztgültige Wahrheiten aufrechterhalten, wenn wir zugleich um die nicht änderbaren Grenzen unseres Denkens Bescheid wissen? Anders formuliert: der unausweichlich beschränkte menschliche Geist wird in dieser Welt das uneingeschränkte Sein, nennen wir es der Einfachheit halber „Gott“, nie verstehen können. Karl Rahner hat es auf den Punkt gebracht: „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“
Wir haben gegen Gott immer unrecht, hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts gemeint. Doch gerade das gebe uns erst die Freiheit zum Handeln. Der Glaube, zu wissen, was gottgefällig ist, sei dagegen ein vermessener Gedanke, viel mehr kommt Kierkegaard zur Überzeugung: „Denn nur die Wahrheit, die erbaut, ist Wahrheit für dich.“
Aber Gott habe sich doch unumkehrbar geoffenbart, höre ich hier den Einwand!
Reinhard P. Grubers jüngstes Buch „Anders Denken“ greift auch eine Reihe von religiösen Fragen auf. So auch die nach der „Offenbarung“ und nach dem „Geheimnis“ Gott(es). „Das ganz Richtige glauben nur die, die das Geheimnis von Gott selber haben. Von ihm selber heißt dann: aus der Offenbarung. Aus der Offenbarung der Bibel oder der Offenbarung des Koran. Oder aus ganz anderen Offenbarungen, beispielsweise von Sonnenaufgängen und -untergängen.“
Mein sechstes Plädoyer: Halten wir uns ganz einfach an Rahners Geheimnis! Das macht auch das Leben unserer Priester einfacher!

Acht Fragen
Jubiläen zu begehen hat nur Sinn, wenn zugleich „nach vorne“ gedacht wird. So hat auch unsere Diözese anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums 2018 in einem breiten Diskurs acht Fragen unter das Motto „Glauben wir an unsere Zukunft?“ gestellt.
>Wollen wir noch selber denken?
>Ist Armut unfair?
>Was würdest Du morgen zurücklassen?
>Rettet Schönheit die Welt?
>Wo brauchen wir Grenzen?
>Wer hat die richtige Religion?
>Muss ich heute Angst haben?
>Wie viel Macht hat eine schwache Kirche?

Die Serie wird begleitet durch die Online-Kolumne „Mitten im Leben“, in der Menschen aus ihrem Alltag im Zusammenspiel mit der jeweiligen Frage berichten. – www.katholische-kirche-steiermark.at/mittenimleben

Der menschliche Geist wird in dieser Welt das Göttliche nie ganz verstehen. Die Religionen halten, mit den Worten von Karl Rahner, diesen Horizont offen:  „Glauben heißt, die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“
 | Foto: Brigitte Petry, Monotheismus, 2015
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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