Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 076
Das Lebensende

„Ars moriendi“ nannte man im Mittelalter die bewusste Vorbereitung auf den Tod. | Foto: Fotolia
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Sterben in Würde

Gerade der aufgeklärte Mensch reagiert unsicher auf die Unausweichlichkeit des eigenen wie fremden Sterbenmüssens und wird von beunruhigenden Fragen und Ängsten umgetrieben. Ist der Tod nur eine Leere, die nach dem Leben kommt, oder eine Kategorie des Lebens selbst, die maßgeblich zur Entwicklung und Vollendung des individuellen Personseins dazugehört? Der medizinische Fortschritt und die Möglichkeiten der modernen Intensivmedizin bieten bei der Beantwortung der Fragen um das Lebensende keine Hilfe, sondern zeigen uns stattdessen eine bedrückende Ambivalenz auf: Der medizinische Fortschritt hat in den letzten hundert Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung beträchtlich erhöht und die Lebensqualität durchaus verbessert. Zugleich wurden aber auch die Grenzen des human Vertretbaren überschritten, wenn Leben zwanghaft und um jeden Preis erhalten wurde. Kann die Medizin den Menschen nicht mehr sterben lassen, weil zunehmend das Ideal der Leid- und Schmerzfreiheit unsere Gesellschaft prägt? Vielleicht wird gerade deshalb der Ruf nach einem selbstbestimmten Tod und der Legalisierung der Sterbehilfe heute immer lauter, wenn Krankheit, Leiden und Altern unerträglich geworden sind.[/p]

Die aktive Sterbehilfe, das heißt die Tötung eines Menschen, ist unabhängig von den Motiven des Täters in Österreich strafbar. Sie wird per § 77 StGB (Tötung auf Verlangen) mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren geahndet.

Die Niederlande hingegen haben 1994 als erstes europäisches Land eine verbindliche Gesetzesregelung zu Fragen der Sterbehilfe verabschiedet: Grundsätzlich wird an der Strafbarkeit der Sterbehilfe festgehalten, jedoch wird von einer Strafverfolgung abgesehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (etwa wenn der Patient mehrfach freiwillig um Lebensbeendigung gebeten hat). Auch die Schweiz hat eine ähnliche Rechtslage, weshalb sich dort unter Namen „Dignitas“ und „Exit“ kommerzielle Organisationen niedergelassen haben, die Sterbehilfe vermitteln.

Für den humanen Umgang mit Krankheit und Sterben ist eine Haltung der Fähigkeit zum Leiden, zum Kranksein, zum Sterben nötig, die sensibel ausgebildet und eingeübt werden muss. Ähnlich wie Konfliktfähigkeit den Konflikt produktiv bearbeitet, muss es darum gehen, den Wirklichkeiten von Leiden und Sterben nicht auszuweichen, sondern sie zuzulassen und produktiv zu gestalten. Im Mittelalter und im Barock war diese Fähigkeit noch als „ars moriendi“, als Kunst des Sterbens, bekannt.

Aus christlichem Geist heraus Sterbende zu begleiten bedeutet einerseits, ihnen durch die Erfahrung des „Geliebtwerdens“ die Begegnung mit den sichtbaren Erscheinungen der Liebe Gottes zu ermöglichen und andererseits die Berührung mit dem Auferstandenen aufzuzeigen, die durch den Tod hindurch trägt. So nimmt der christliche Glaube Leid und Krankheit auf besondere Weise ernst und warnt vor einem Dammbruch im Umgang mit Menschenleben. Wo einmal zugelassen wird, das Leben eines Menschen für nicht mehr lebenswert zu erklären, lassen sich die Grenzen beliebig verschieben.

Rein praktisch bedarf es heute eines stärkeren Ausbaus der Palliativmedizin und einer intensiveren religiösen und psychologischen Schulung von Sterbebegleitern. Jeder Christ sollte ferner in einer „Patientenverfügung“ Vorsorge für ein körperlich erträgliches Leiden und menschenwürdiges Sterben treffen. Die Kirche bietet dazu Hilfestellungen an.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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