Interview
„Ich sehe viel Positives und bin gelassen“
- hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion
Bischof Dr. Egon Kapellari begeht am 12. Jänner seinen 90. Geburtstag. Von 2001 bis 2015 leitete er die Diözese Graz-Seckau. Im Gespräch mit dem SONNTAGSBLATT blickt er auf wichtige Stationen seines Lebens zurück.
Herr Bischof, nach dem Heiligen Jahr 2025, das die Weltkirche als Jahr der Hoffnung begangen hat, überschreiten Sie nun die Schwelle zu Ihrem 91. Lebensjahr. Das ist eine besondere Wegmarke. Seit unserem letzten Gespräch vor fünf Jahren haben Sie keiner Zeitung ein Interview gegeben. Jetzt aber haben Sie dem SONNTAGSBLATT ein solches selbst angeboten. Warum?
Bischof Egon Kapellari: Ich wollte verhindern, dass ich von vielen Seiten um ein solches Interview gebeten werde, was meine jetzigen Kräfte überfordern würde. Anfragende kann ich daher an das SONNTAGSBLATT verweisen, weil dort alles, was ich jetzt sagen kann, gut bekannt ist.
Seit Ihrer Geburt am 12. Jänner 1936 in Leoben haben Sie in Ihrem Leben sehr viele unterschiedliche, aber auch einander ergänzende Stationen durchlaufen. Was können Sie im Rückblick auf 90 Jahre zusammenfassend sagen?
Kapellari: Zuerst und zuletzt sage ich ein großes Danke an Gott und seine Fügungen, die ich als solche immer mehr erkannt habe und erkenne. Aus vielen Tätigkeiten und Begegnungen ist eine reiche Lebensernte erwachsen, die auch in Zukunft weiterwachsen wird, wenn Gott es will. Und damit verbinde ich ein vielstimmiges Danke an ungemein viele Menschen in der Kirche, in der ganzen Christenheit und weit darüber hinaus. Dieser weite Horizont umschließt auch andere Religionen – vor allem das Judentum und den Islam – und schließlich die ganze Menschheit in einer Weise, wie es gerade auch von den jüngsten Päpsten vorgelebt wurde.
In einem Ihrer vielen Bücher – es ist das Buch „Was kommt? Was bleibt?“, das 2013 als Interview mit dem renommierten Journalisten Hans Winkler entstanden ist – werden die wichtigsten Eckdaten Ihres bisherigen Lebens und Wirkens aufgezählt.
Kapellari: Da ist zu reden über meine Geburt in Leoben als Enkelkind der Großeltern aus Kärnten, auch mit italienischen Wurzeln – mein italienischer Name – und solchen aus Slowenien. Weiters über die Matura am alten Gymnasium in Leoben, dann über das Jusstudium mit Promotion 1957 in Graz und das Theologiestudium in Salzburg und Graz. Es folgten die Priesterweihe 1961 in Graz und die Zeit als Kaplan in einer Grazer Pfarre und schließlich die besonders prägenden 18 Jahre als Grazer Hochschulseelsorger.
Aus dieser Zeit ist noch vieles nachhaltig lebendig.
Kapellari: Es gab zahlreiche Kontakte mit damals Studierenden, Impulse durch wichtige, international herausragende Referenten wie Prof. Karl Rahner, Prof. Joseph Ratzinger und den späteren Kardinal Hans Urs von Balthasar. Geblieben sind auch fünf Studierendenheime von herausragender architektonischer Qualität in Verbindung mit dem damaligen und heutigen Zentrum in Graz, Leechgasse 24.
Mit einem großen Fest wurde 2011 im Grazer Dom der 30. Jahrestag
seiner Bischofsweihe begangen.
Eine Reihe von profilierten Priestern waren damals unter Ihrer Leitung als Seelsorger für die Studierenden tätig, etwa Martin Gutl und Peter Schleicher, die Dominikaner Jordan Gebhard und Christoph Schönborn. Von auswärts wirkten die Wiener Priester Karl Strobl, Otto Mauer und Ferdinand Klostermann und der Kölner Studentenpfarrer Wilhelm Nyssen sehr prägend.
Kapellari: Die Studierenden in meiner Zeit als Hochschulseelsorger kamen nicht nur aus der Steiermark und Kärnten, sondern auch aus allen anderen Bundesländern, ausgenommen Wien und das Burgenland. Daraus ergaben sich unzählige Kontakte und sogar Freundschaften, die immer noch bestehen. Darunter waren auch viele Künstler, ausgezeichnet durch ihre Fähigkeit bezogen auf Wort, Bild oder Klang, manche sogar bezogen auf mehreres.
Meine Begabung bezieht sich dagegen nur auf Wort und Bild und dabei besonders auf das Wort, dem ich auch durch viele meiner Bücher gedient habe und immer noch diene, weil sie nicht überholt sind.
Nach 18 Jahren als Hochschulseelsorger wurden Sie von Papst Johannes Paul II. im Dezember 1981 zum 64. Bischof der alten Diözese Gurk ernannt. Ihre Bindung an Kärnten und die dortige Diözese ist immer noch sehr stark.
Kapellari: Ja, und das wird mein Leben lang so bleiben und beruht auch auf Gegenseitigkeit. In Kärnten habe ich alle Pfarren mindestens einmal in fünf Jahren visitiert und ich habe auch, so wie es mein Vorgänger Joseph Köstner gehalten hat, die meisten Firmungen selbst gespendet.
Herausragend war in dieser Zeit der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1988 in Gurk, verbunden mit einer Dreiländer-Wallfahrt mit Pilgern aus Kärnten, Slowenien und Friaul.
Knapp 20 Jahre später wurden Sie als Bischof in Ihre Heimatdiözese Graz-Seckau berufen sowie zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz gewählt und als so genannter Medienbischof beauftragt. Sie haben diese Aufgaben bis zu Ihrer Emeritierung im Jahr 2015 erfüllt, also um vier Jahre länger als im Kirchenrecht vorgesehen. Seither leben Sie beim Kloster der Grazer Elisabethinen, eingemietet in deren Haus für Betreutes Wohnen und in Nachbarschaft zu deren Krankenhaus.
Kapellari: Als betagter „elder churchman“ lebe ich, freue mich und leide auch mit der Kirche in Europa und weltweit mit. Ich rede nirgends drein, bin aber trotzdem gut informiert. Und ich teile meine Erfahrungen allen Interessierten mit. Besonders bete ich aber für das Heil der ganzen Welt und übersehe trotz allem Negativen nicht das so viele Positive in Kirchen und Gesellschaft.
Seit meiner Emeritierung habe ich sehr viel über Geschichte studiert: Kirchengeschichte, Religionsgeschichte und auch Weltgeschichte. Und mein Saldo ist ziemlich positiv. Ich sehe weltweit viel Positives, bin daher im Ganzen gelassen und halte mich an das Vorwort zum Hauptwerk des großen katholischen Literaten Paul Claudel. Es lautet: „Gott schreibt gerade (auch) auf krummen Zeilen – Sprichwort aus Portugal“.
Unter den sieben Päpsten, die ich seit Pius XII. nicht nur durch Medien, sondern im selben Raum oder auf demselben Platz erlebt habe, sind mir Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus besonders nahe. Und Papst Leo XIV., über den ich nur durch Medien, aber reichlich informiert bin, erscheint mir als ein wahres und besonderes Geschenk Gottes.
Vielen Dank für das Gespräch. Ich schließe es mit herzlichen Segenswünschen zum Geburtstag – auch seitens der ganzen Redaktion sowie unserer Leserinnen und Leser.
Interview: Alfred Jokesch
- Bischof Kapellaris Affinität zur Kunst, insbesondere jener, die sich in Wort und Bild kundtut, zeigt sich bei vielen Gelegenheiten – etwa bei einer Ehrung für die Schriftstellerin Friederike Mayröcker im Grazer Minoritensaal 2014 – und in freundschaftlichen Beziehungen.
- Foto: Neuhold
- hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion
- Begegnungen mit jungen Menschen ergaben sich im Zuge zahlreicher Firmungen.
- Foto: Archiv
- hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion
- Bei mehreren Besuchen in der Lebenswelt Kainbach der Barmherzigen Brüder suchte Bischof Kapellari die Nähe zu Menschen mit Beeinträchtigungen.
- Foto: BB Kainbach
- hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion
- Mit einem großen Fest wurde 2011 im Grazer Dom der 30. Jahrestag seiner Bischofsweihe begangen.
- Foto: Neuhold
- hochgeladen von SONNTAGSBLATT Redaktion
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.