Positionen - Leopold Neuhold
Zusammenhänge sehen

Zurück von einer Reise: Ein Mann zeigt seinen Freunden die zahlreichen Fotos. Aufmerksam betrachten diese die Aufnahmen. Zahlreiche Selfies, verschwommener Hintergrund, damit das Gesicht zum Tragen kommt, dazu einige herangezoomte Details von Gebäuden und Landschaften, viele Ausschnitte, die aber nicht erkennen lassen, wo die Urlaubsreise hingeführt hat. Fragt einer aus dem Freundeskreis: „Wo ist die Reise hingegangen? War es eine Reise zu dir selbst?“ – Und konnte der Mann überhaupt zu sich selbst kommen?
Wir sind heute oft auf uns selbst und auf Details konzentriert, die Einzelheiten stehen so im Vordergrund, dass Hintergrund und Bezugspunkte verschwimmen. Die Tiefenschärfe oder Schärfentiefe, das Maß für die Ausdehnung des scharfen Bereichs, bleibt begrenzt. Mit dem Zoomen werden zwar oft wichtige, manchmal auch unwichtige Einzelheiten, die dann für das Wichtigste genommen werden wollen, in den Mittelpunkt gerückt; Zusammenhänge werden dadurch aber oft gesprengt. Wir ereifern uns dann über Details, die sich uns als Um und Auf darstellen. Für sich, ohne Bezug zum Ganzen betrachtet, wirken diese aber nichtssagend. Sie zeigen nämlich nicht die Bezüge, in denen die Einzelheiten stehen, so dass man gestaltend mit ihnen umgehen kann.
Wir nähern uns dem Advent. Dieser stellt eine Aufforderung dar, den Blick auf das Ganze unserer Erlösung zu richten, nicht nur auf den Esel in der Krippe oder auf andere Figuren, die uns, für sich betrachtet, als Fremdkörper erscheinen könnten, im Zusammenhang aber wesentlich werden.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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