Mutworte - Br. David Steindl-Rast, OSB.
Vom aufmerksamen Zuhören

Gottesnamen, wir sollten sie wohl besser „Gottes-Hinweise“ nennen, deuten auf eine letzte Wirklichkeit hin, die immer unaussprechlich bleibt. Was sich aussagen lässt, muss diesseits des Unsagbaren bleiben. Jeder Gottesname liegt also auf unserer Seite der Beziehung zwischen Gott und uns. Und doch sagt er nicht nur über uns etwas aus, sondern auch über Gott.
Der kleine rote, schwarz-getupfte Käfer, der sich auf meine Fingerspitze setzt, macht eine wirkliche Erfahrung von mir, wie begrenzt sie auch immer sein mag. Wenn er sie in Worte fassen könnte, wäre er imstande, etwas über mich zu sagen, was stimmt.
Was wir von Gott aussagen können, ist noch unendlich unzulänglicher, aber es kann doch stimmen. Und das gilt zum Beispiel, wenn wir Gott den HÖRENDEN nennen: „Wenn ich zu Dir rufe, hörst Du mich.“ Wer diese Erfahrung machen will, muss vertrauend rufen. Freilich besteht die „Antwort“ vor allem im Bewusstsein, gehört zu werden. Aber ist all das nicht nur Projektion? Ja, soweit jedes Bild Projektion ist. Nein, insofern das Bild doch etwas von Wirklichkeit erfasst. Zu jeder echten Beziehung ge-
hört das Hinhorchen aufeinander, also auch zu unserer Gottesbeziehung.
Fällt dir jemand ein, der oft auch mitten in Gesellschaft einsam zu sein scheint? Kannst du es vielleicht heute so einrichten, dass du diesem Menschen aufmerksam zuhörst? Der HÖRENDE horcht oft mit Menschenohren.

David Steindl-Rast
Aus: David Steindl-Rast, 99 Namen Gottes, Verlag Tyrolia, 2019. 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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