Mutworte - Ruth Zenkert
Raum zum Überleben

Foto: privat

Der Regen hat die Mauer aus Lehm unterspült, lange steht sie nicht mehr. Vom Wellblech-Dach tropft es auf den Boden – blanke Erde. Alles, es ist nicht viel, ist feucht. Antonica haust hier mit ihrem neunjährigen Mädchen. Maria ist das Einzige, was ihr geblieben ist. Der Mann hat sie verlassen, Verwandte und Freunde gibt es nicht. An Maria klammert sie sich fest, ihr darf nichts passieren. Sie lässt sie nicht in die Schule gehen, weil die anderen Kinder ihr etwas antun könnten. Eine Allergie erlaubt es dem Kind nicht, Tiere zu berühren. Und immer muss Maria eine Mütze aufsetzen, sonst entzünden sich die Ohren. Zwei Menschen im Unglück aneinander gekettet!
Inzwischen haben wir die Ruine abgetragen und ein Ziegelhaus gebaut. Im Bauhof bereitet Antonica nun den Arbeitern das Essen. Die jungen Lehrlinge werfen ihr zum Dank Handküsse zu, das hat sie schon lange nicht mehr erlebt. Anfangs wollte sie Maria mit in die Arbeit nehmen, doch dann, nach langem Zögern, brachte sie das zarte Geschöpf in unser Haus, mit vielen Anweisungen, was sie nicht machen dürfe. Emilia, eine Volontärin, lernt und spielt mit Maria. Wenn niemand hinschaut, streichelt das Mädchen Buli und Simsa, die zwei Straßenhunde. Selbst die scheue Katze Kaba ist neugierig auf das kleine Mädchen. Mutter und Kind werden nicht leicht den Ketten der Einsamkeit entkommen, doch die neue Gemeinschaft wird sie retten. Bei Antonica ist es die Arbeitswelt, bei Maria die Schule und die Gemeinschaft in unserem Haus, wo alle Platz haben.

Ruth Zenkert
ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschill, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien. Aus: elijah.ro/bimail

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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