Positionen - Karl Veitschegger
Macht und Dienst

Eines muss man den Deutschen lassen: Wenn sie eine Sache angehen, tun sie es gründlich. Für österreichische Ohren klingt manches hart. Wir vermissen den Charme der Diplomatie. Das trifft auch auf den „Synodalen Weg“ (SW) der katholischen Kirche in Deutschland zu. Er wurde begonnen, um den Missbrauchsskandalen schonungslos auf den Grund zu gehen.

Unsere katholischen Nachbarn haben klar erkannt: Die Unzahl an Missbräuchen innerhalb der Kirche und ihr Verborgen-Halten waren nur möglich, weil „geistliche Macht“ überhöht und zu wenig ernsthaft hinterfragt worden ist: weder die Macht oft unreifer, „charismatisch“ wirkender Priester noch die überzogene Macht von Bischöfen, die praktisch gar nicht in der Lage sind, jene Verantwortung zu übernehmen, die ihnen feierlich zugesprochen wird. Die grausame Frucht dessen: Durch Jahrhunderte war „uns Kirchenmenschen“ (ich zähle mich dazu) das Image der Kirche wichtiger als das Leid der Geschändeten. Vertuschung und Verharmlosung sind auch Ausdruck von Selbstidealisierung und Feigheit.

Wer sagt, in der Kirche gehe es ja gar nicht um Macht, sondern nur um „Dienst“, denkt vielleicht fromm, aber zu kurz. Macht ist nichts Schlechtes. Sie ist auch in der Kirche nötig, um das Gute durchzusetzen und Schwächere zu schützen. Aber sie gehört verständlich legitimiert, sachdienlich aufgeteilt, transparent ausgeübt und muss vom „Volk Gottes“ auch kontrollierbar sein: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“ (1 Thess 5,21) Erst so wird sie zum Dienst. Das ist mir beim Mithören des SW neu bewusst geworden. Kein beliebter, aber ein wichtiger Impuls unserer Nachbarn.

Karl Veitschegger

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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