Mutworte - Christa Carina Kokol
Ich „predige“ auf meine Weise

Foto: Neuhold

Kann ein aufrichtiger, ehrlicher, bescheidener Mensch als Politiker bestehen? Ist er nicht zum Scheitern verurteilt, wenn er auch das Gute seiner Mitbewerbenden sieht, es wertschätzt und eigene Fehler eingesteht?

Der Ex-Fußballprofi Damiano Tommasi kann. „Für seine Partei“, so die Kleine Zeitung, „hat der linke Offensivspieler den routinierten Rechtsverteidiger überspielt und nach 20 Jahren den Bürgermeisterposten in Verona zurückerobert.“ Dieser Mann, ein praktizierender Katholik, wird von links und rechts als „anständiger“ Mensch wahrgenommen. Seinen Wahlkampf führte er nie gegen, sondern für andere Menschen. Er und sein Team sind bemüht, niemanden zu verunglimpfen und zu beleidigen.

Unlängst spähte ich während des Gottesdienstes nach allen Seiten, um ein Gesangbuch zu erhaschen. Leider vergeblich. Während der Predigt über den Barmherzigen Samariter überlegte ich, wo ich im alltäglichen Leben „Samariterin“ bin und wer mir „Samariterdienste“ leistet. Da spürte ich ein zartes Klopfen auf meiner Schulter.

„Möchten Sie singen?“, fragte mich ein etwa neunjähriger Bub, der mir scheu ein Liederbuch reichte. Dieser junge Mann hat mir den Text der biblischen Erzählung weiter erschlossen. Er tat das, was in diesem Augenblick notwendig und ihm möglich war. Und darum geht es: auf meine Weise das mir Bestmögliche des Augenblicks tun. So, wie Samariter, Fußball-Bürgermeister und neunjähriger Junge auf ihre Weise „predigen“.

Christa Carina Kokol
ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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