Mutworte - Ruth Zenkert
Gegen die Flut

Foto: privat

Eine aufgebrochene Tür und Chaos empfingen Alina, die Leiterin des Sozialzentrums, als sie am Morgen aufsperren wollte. Es fehlten Lebensmittel, sonst war nichts gestohlen. Sie rief die Polizei. Wenig später kamen zwei Polizisten mit Marius, den sie an seiner zerschlissenen Jacke grob mit sich zerrten.
Er ist alleinstehend, ohne Unterkunft. Wo er gerade am Abend unterwegs ist, übernachtet er. Oft kam er auch im Sozialzentrum vorbei.
Alina war sauer. Sie hatte ihn immer unterstützt. Und jetzt war ausgerechnet er eingebrochen? „Es tut mir leid“, stammelte er, „ich war betrunken, es war so kalt heute Nacht, ich konnte nirgends hin.“ Alina bat die Polizei, unter vier Augen mit ihm sprechen zu dürfen: „Marius, wenn ich dir Unterkunft und Beschäftigung besorge, wirst du dann arbeiten?“ Marius versprach, dass er alles tun werde, um den Schaden gutzumachen. Jeden Tag steht er nun pünktlich vor dem Stall, um zu helfen.
Alina erinnert mich an Noah. Sie hat in der Corona-Zeit eine unglaubliche Leistung vollbracht. Mehr Menschen als früher drängen ins Sozialzentrum. Kinder kommen zum Lernen, Mütter betteln um Brot, andere suchen Hilfe, weil die Gewalttätigkeit zu Hause zunimmt. Mit Maske lässt sie Groß und Klein herein, obwohl die Abstandsregeln schwer einzuhalten sind. Wie durch ein Wunder ist das Virus nicht in das Roma-Viertel gedrungen. Wie Noah baut sie eine Arche, einen Hort gegen die Flut des Negativen, der Armut, der Verwahrlosung, des Hasses, der Diskriminierung.

Ruth Zenkert

ist Mitarbeiterin der von P. Georg Sporschill, SJ., gegründeten sozialen Werke in Rumänien. Aus: elijah.ro/bimail

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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