Mutworte - Anna Schreiber
Es gibt einen Weg

Foto: privat

„Ich glaube, meine Frau ist abhängig – vielleicht von Medikamenten. Sie arbeitet im Krankenhaus in der Intensivstation, ist dort geschätzt und in der aktuellen Pandemiesituation wohl unersetzlich. Doch ich mache mir Sorgen. Wenn ich etwas sage, wird sie sofort wütend. Wie kann ich ihr und uns helfen?“

Es ist natürlich nicht möglich, aus der Ferne eine Suchterkrankung zu diagnostizieren, doch es ist wichtig, Zeichen, die auf eine Suchterkrankung hinweisen, zu deuten. Suchterkrankungen gehen in aller Regel mit Scham einher. Es besteht ein Teufelskreis aus Verlangen nach dem Suchtmittel und der Scham darüber, dass diesem Verlangen nicht widerstanden werden kann. Es fühlt sich an, als ob es keinen Ausweg gäbe.
Die vergangenen eineinhalb Jahre stellten für Menschen, die in der Intensivmedizin arbeiten, eine unbeschreibliche Überlastungssituation dar. Es ist wunderbar und segensreich, dass mutige und kompetente Menschen diese großartige Arbeit leisten. Ihnen gilt unser höchster Respekt.

Wenn unter diesen extremen Bedingungen eine Suchterkrankung entsteht, ist das aus meiner Sicht absolut verständlich, doch deshalb nicht minder gefährlich! Eine wesentliche Hilfe ist, wenn das Umfeld nicht wegschaut. Sicher gibt es in Ihrer Gegend eine Suchtberatungsstelle, an die Sie sich, auch anonym, wenden können. Sprechen Sie immer wieder mit Ihrer Frau, auch wenn sie wütend werden sollte. Sagen Sie ihr, dass Sie ihr helfen wollen, dass Sie sie begleiten und unterstützen. Dass Sie sie lieben und anerkennen – Sucht hin oder her. Es gibt einen Weg heraus.

Dipl.-Psych. Anna Schreiber
ist Psychotherapeutin in Karlsruhe.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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