Mutworte - Christa Carina Kokol
Echo der Geborgenheit

Foto: Neuhold

Mit grauen Novembertagen beginnt für mich eine heimelige Zeit. Bei Regentropfen, die ans Fenster klopfen, dem Rascheln des Laubes, dem stillen Schein einer Kerze … habe ich das Gefühl, dass Dinge, die uns umgeben, ein Stück in eine jenseitige Welt ragen. Das macht die Zeit so heimelig. Ähnlich hat es Johan Huizinga in „Herbst des Mittelalters“ formuliert.

Eine Heimat zu haben ist Geschenk. Was es bedeutet, seine Heimat zu verlieren, erfahren Millionen von Menschen, die emigrieren, um überleben zu können. Seine Heimat zu schätzen heißt aber nicht, einen ausschließenden Patriotismus hochzuhalten, der, wie alle „Ismen“, einen positiven Begriff verfälscht. Heimat hat mit Geborgenheit zu tun, die wir in unserem Innersten ersehnen.

Peter Strasser, einer der wichtigsten Philosophen des Landes, schreibt in seinem Buch „Apokalypse und Advent“, dass jenes Gefühl, „das in uns als Heimat anklingt, das ferne Echo einer Geborgenheit ist, die wir hier verloren haben“. Doch ragen wir in eine höhere Geborgenheit, aus der wir schöpfen und einander Heimat sein können.

„So wie die Einzigartigkeit dem Mosaiksteinchen ausschließlich in Bezug auf das Ganze des Mosaiks Wert verleiht“, sagt Viktor Frankl, „so liegt der Sinn aller persönlichen Einzigartigkeit des Menschen in deren Bedeutsamkeit für ein übergeordnetes Ganzes.“ Und indem wir selbst zum „Echo der Geborgenheit“ füreinander werden, dürfen wir uns auch in aller Schwere des Lebens von Herzen freuen – auch über Regentropfen, die an unser Fenster klopfen.

Christa Carina Kokol
ist dipl. psychotherapeutische Beraterin in Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor E. Frankl.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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