Mutworte - Ruth Zenkert
Bis in den Tod
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„Nicht ich – er ist dein Sohn!“, wehrte sich unser Mitarbeiter Eusebiu gegen die Umarmung der Frau und schob Costel zu ihr. Sie starrte ihn enttäuscht an: „Du? Hast du Zigaretten?“ Das waren die ersten Worte, die der Fünfzehnjährige aus dem Mund seiner Mutter hörte. Sie war seit Jahren in einer psychiatrischen Anstalt, elendig und hilflos. Nach seiner Geburt hatte sie ihn im Spital zurückgelassen. Der Bub wuchs in einem der berüchtigten Kinderheime der Ceaușescu-Ära auf. Wie viele, lief er weg und landete am Bahnhof in Bukarest. So kam er in unser Sozialzentrum. Eines Tages wollte er wissen, wo seine Eltern waren. Wir fanden seine Mutter. Er hatte große Erwartungen und den Traum, dass sie ihn aufnehmen würde. Umso schlimmer war die enttäuschende Begegnung. Tage später sagte er: „Sie hat mich neun Monate getragen und ernährt, mehr konnte sie nicht. Ich muss ihr jetzt helfen.“ So oft er konnte, schickte er ihr Päckchen mit Schokolade, Früchten, Zigaretten.
Kürzlich schrieb er mir: „Mama liegt im Sterben, ich bin bei ihr.“ Er hat sich um seine Mutter gekümmert, wie sie es nie für ihn getan hat. Mittlerweile hat er eine eigene Familie und wird hoffentlich von seinen Kindern auch bis in den Tod geliebt.
Ruth Zenkert ist Leiterin des Sozialprojektes ELIJAH in Rumänien. Aus: elijah.at/bimail
Autor:SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT |
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