Missbrauch
Die Opfer schützen

Die 1900-Seiten umfassende Missbrauchsstudie der Erzdiözese München schlägt hohe Wellen.  | Foto: KNA
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Missbrauchsstudie der Erzdiözese München wirft auch Joseph Ratzinger schwerwiegende Unterlassung vor. Der emeritierte Papst nahm Stellung und korrigierte sich auch.

Als „guten Tag für die Betroffenen“ bezeichnete der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner die Veröffentichung der Missbrauchsstudie der Erzdiözese München. Es sei freilich ein „Dokument der Versäumnisse und der Verspätung“. Die Kirche habe viel zu lange gebraucht zu erkennen, „dass der Schutz nicht der Institution gilt, sondern den Betroffenen“, meint Zulehner. Die jetzt veröffentlichte Studie sei von der Erzdiözese München in Auftrag gegeben worden, die um Aufarbeitung bemüht sei. Die Kirche, so Zulehner, musste auch lernen, dass es in ihr strukturelle Begünstigungen für Missbrauch gibt. Dabei ginge es nicht nur um die Fehler der Vergangenheit, sondern darum, wie man in Zukunft solche Fehler verhindern kann. Die österreichische Kirche habe da sehr schnell reagiert.

Das von der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl erstellte Gutachten ermittelte für den Zeitraum von 1945 bis 2019 497 Geschädigte und 235 mutmaßliche Täter, darunter 173 Priester. Die meisten Taten betreffen die 1960er und 1970er Jahre, wobei viele Tatvorwürfe erst ab 2015 gemeldet worden seien.

Fehlverhalten im Sinne von Untätigkeit oder fahrlässigem Einsatz problematischer Seelsorger attestiert das Gutachten auch Erzbischöfen dieses Zeitraums. Schwer belastet wird dabei auch Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München war. Ihm wird in vier Fällen Fehlverhalten vorgeworfen. Vor allem sei in seiner Amtszeit ein Priester aus Essen in der Erzdiözese eingesetzt und trotz wiederholter „Vorfälle“ immer nur versetzt worden.

Der inzwischen fast 95-jährige Benedikt XVI. hatte eine 82-seitige Stellungnahme zur Studie eingebracht. Aus ihr ging hervor, dass Ratzinger bei der Sitzung bezüglich der Übernahme dieses Priesters in die Erzdiözese München nicht dabei gewesen sei, was die Gutachter auf Grund des ihnen vorliegenden Sitzungsgutachtens als falsch bewerteten.

Benedikt XVI. hat diese Darstellung inzwischen korrigiert. Er habe doch an der Sitzung teilgenommen, bei der es aber nicht um den seelsorglichen Einsatz dieses Priesters gegangen sei, sondern nur um eine Unterkunft in seiner Diözese während einer therapeutischen Behandlung. Der Fehler in seiner Stellungnahme sei nicht in böser Absicht erfolgt, sondern aus Versehen bei der redaktionellen Bearbeitung seines Textes. Benedikt XVI. möchte die 1900 Seiten umfassende Studie ausführlich durcharbeiten, die ihn „mit Scham und Schmerz“ erfülle über das Leid, das den Opfern zugefügt worden ist.

Vor einer Einengung der Missbrauchsdiskussion auf die katholische Kirche warnte in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ der Psychiater Reinhard Haller. Es gebe Berechnungen, dass nur 3 Promille aller Missbrauchshandlungen auf den Bereich der Kirche zurückzuführen sind. Auch für Haller müssen die Probleme und Interessen der Opfer an erster Stelle stehen. Enttabuisierung und Toleranz seien für die Kirche wichtig und die Frage, wie sie grundsätzlich mit dem Thema Sexualität, auch in der Aus-bildung der Priester, umgeht.

Quelle: Kathpress

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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