Caritas
Angekommen nach der Flucht

Mittlerweile sind Amira und Said in ihrer neuen Heimat angekommen. | Foto: Caritas Sofia
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  • Mittlerweile sind Amira und Said in ihrer neuen Heimat angekommen.
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Weltweit sind 30 Millionen Kinder auf der Flucht.
Neben einem sicheren Aufwachsen im Schutz der Familie oder genug zum Essen fehlt ihnen der Zugang zu Bildung. Die Caritas legt einen Schwerpunkt in ihrer Auslandsarbeit deshalb auf die Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die Schule.

Amira kann endlich wieder lachen, und: Sie hat einen Berufswunsch und richtig große Pläne. „Ich lese gerne und liiiebe schöne Dinge“, erzählt die Zwölfjährige stolz. Sie will Designerin werden und schaut zu ihrer Mutter. Wenn diese ihrer Tochter heute zuhört, kann sie oft gar nicht glauben, wie schüchtern das Mädchen einst war bei ihrer Ankunft in Bulgarien, als sie kein Wort verstand und deshalb auch kaum mit anderen Kindern spielte.

Verlorene Generation
Dabei ist Amira eine glückliche Ausnahme. Zwar sprechen Kinder, die in Syrien geboren wurden und seit Kriegsausbruch dort auf der Flucht durch halb Europa sind, oft fließend die Sprachen jener Länder, durch die sie ihre Flucht geführt hat. Ein Schulabschluss gelingt dennoch den wenigsten, weil sie durch Flucht und Abschiebung oft nicht lange an einem Ort bleiben können. In Bosnien-Herzegowina, wo tausende Geflüchtete aus Syrien, dem Irak oder Pakistan in Flüchtlingslagern und in Wäldern leben, erzählt eine Caritas-Kollegin von einem 13-Jährigen, der ihr in perfektem Englisch genau davon berichtet: Geboren in Syrien, seit zehn Jahren auf der Flucht durch vier Staaten, deren
Sprachen er fließend beherrscht. Nur Schulzeugnis habe er noch nie eines bekommen.

Für die Familie von Amira und ihrem Bruder Said hat die Caritas in Bulgarien in Sachen Bildung eine Tür geöffnet. Nachdem die Mutter allein mit den beiden Kindern nach Bulgarien gekommen war, half ihr die Caritas Sofia mit Bulgarisch-Sprachkursen und unterstützte bei der Suche nach einer Arbeit. Zugleich bekamen Amira und Said Hilfe bei den Hausaufgaben von Freiwilligen im Integrationszentrum „St. Anna“ in Bulgariens Hauptstadt Sofia, das mit Caritas-Unterstützung und österreichischen Spenden errichtet wurde. „Sprache verändert alles“, sagt die Mutter der beiden Kinder, die mit Amira und Said den Asylstatus erhalten hat: „Kennst du die Sprache eines Landes, kannst du teilnehmen am Alltagsleben, du kannst um Hilfe bitten und ‚Dankeschön‘ sagen, wenn dir jemand hilft.“

Bildung ermöglicht Zukunft
Seit 2014 unterstützt die Caritas in Bulgarien Kinder und Erwachsene, die vor dem Krieg geflüchtet sind, bei ihrer Integration und einem Neuanfang. Für Geflüchtete ist Bulgarien, das ärmste Land der EU, als Nachbarland zu Griechenland und zur Türkei ein Eintrittstor in die Europäische Union. „Hilfe für Menschen auf der Flucht“ ist deshalb ein Schwerpunkt der Caritas Sofia, mit der die Caritas der Diözese Graz-Seckau seit über 20 Jahren zusammenarbeitet. Weil viele unter den Geflüchteten noch keine 18 Jahre alt sind, liegt ein Hauptaugenmerk der Integrationsarbeit darauf, Kindern und Jugendlichen auf der Flucht Bildung zu ermöglichen. Auch Amiras Bruder Said hat davon profitiert: In wenigen Jahren ist der 14-Jährige zum Klassenbesten aufgestiegen und lernt für sein Leben gern. „Im letzten Jahr habe ich 30 Bücher gelesen“, erzählt er und lacht. Geschichte sei sein Lieblingsfach, und auch Said hat einen Zukunftsplan: Als Erwachsener, und sobald der Krieg beendet ist, will er zurück nach Syrien – in jenes Land, in dem er und seine Schwester viel zu früh den Vater verloren haben. „Ich möchte mithelfen beim Wiederaufbau meiner Heimat.“

IM ORIGINALTON

Anna Steiner bei einem Projektbesuch in Rumänien | Foto: Caritas

Ein Schulabschluss für jedes Kind
Ob Buntstifte, ein warmes Mittagessen nach der Schule oder jemanden, der bei den Hausaufgaben hilft: Längst nicht alle Kinder haben optimale Voraussetzungen für einen Schulabschluss. Im Südsudan zum Beispiel waren die Schulen aufgrund von Covid ein ganzes Jahr lang geschlossen. Und auch in Europa haben viele Kinder es schwer: In Bulgarien oder Rumänien gibt es keine staatliche Nachmittagsbetreuung und damit kaum Lernhilfe für Kinder aus sozial schwachen Familien. Weltweit hat sogar fast jede/r Fünfte unter den Minderjährigen im Schulalter keinen Zugang zu Bildungsangeboten, und das ist fatal, denn: Ein Schulabschluss bedeutet immer eine Chance
für die Zukunft. Wer als Kind die Schule abschließt, hat im Erwachsenenalter die Chance, eine Arbeit zu bekommen, von der man selbst und die Familie leben kann. Deshalb ist „Bildung“ neben „Ernährungssicherung“
der zweite große Schwerpunkt der Caritas-Auslandshilfe. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern unterstützen wir Kleinkinder, Schulkinder und Jugendliche in Kindergärten und -tagesstätten in Rumänien oder Bulgarien. Wir unterstützen Lehrwerkstätten im Südsudan oder aktuell den Bau einer Schule für Pflegeberufe in Burundi.
Die 25 Bildungsprojekte in Afrika und in Osteuropa sollen Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse ermöglichen und Menschen helfen, später in ihrer Heimat eine Arbeit zu bekommen. Besonders stolz sind wir darauf, mit anderen Caritas-Partnern an einem Jugendbeschäftigungsprojekt am Westbalkan beteiligt zu sein. So konnte seit dem Start von „Your Job“ vor zwei Jahren durch Bewerbungstrainings, Berufspraktika oder die Unterstützung bei der Gründung von Kleinstunternehmen die Jobsituation von nicht weniger als 5000 jungen Menschen in Albanien, Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und in Serbien entscheidend verbessert werden.

Foto: Arno Friebes

Anna Steiner koordiniert als Länderreferentin für Osteuropa Caritas-Projekte in Bulgarien, Rumänien, Ungarn und in Bosnien-Herzegowina.

Projekte

Um besonders vulnerablen Kindern ein chancenreiches Aufwachsen und damit eine gute Zukunft zu ermöglichen, unterstützt die Caritas in Süd-Ost-Europa mit Bildung, Essen & Integration.

ESSEN und LERNEN

Täglich ein warmes Essen, Lernunterstützung und jemanden zum Reden: All das hilft Kindern in Caritas-Projekten in Rumänien und Bulgarien, die Schule positiv abzuschließen. Bildung erhöht die Jobchancen, deshalb betreibt die Caritas seit vielen Jahren Kindertagesstätten in Osteuropa. In den Tagesstätten werden Kinder, die zu Hause wenig Unterstützung erhalten, da ihre Eltern oft selbst nicht lesen oder schreiben können, gefördert, damit ihre Chance auf einen positiven Schulerfolg steigt. Neben der Lernhilfe erhalten sie ein warmes Mittagessen, oft die einzige Mahlzeit am Tag. Gemeinsam mit LehrerInnen und SozialarbeiterInnen werden die Hausaufgaben erledigt, wird gelernt, gebastelt und gespielt. Bildung schafft Perspektiven für die Zukunft. Denn wer die Schule schafft, findet später leichter eine Arbeit und kann für sich und die Familie sorgen.

FÖRDERUNG von Minderheiten

Roma sind mit geschätzten 10–12 Millionen Angehörigen die größte ethnische Minderheit in Europa, 90% von ihnen leben in Armut. Sie sprechen eine eigene Sprache, das Romanes, und die meisten von ihnen leben in Siedlungen außerhalb der Städte, meist ohne funktionierende Strom- und Wasserversorgung. Häufig müssen die Kinder beim Holzsammeln oder anderen Arbeiten helfen und werden daher nicht in die Schule geschickt. Zum Schuleintritt sprechen viele Kinder noch kein Wort der Landessprache. In unseren Projekten werden die Kinder auf den Schuleintritt vorbereitet, und es wird mit ihnen die Landessprache geübt. Neben dem Lernen und der Zuwendung der PädagogInnen bekommen die Kinder auch jeden Tag ein warmes Mittagessen.

INTEGRATION von Flüchtlingskindern

Nur vier Autostunden von Graz entfernt, in Bosnien-Herzegowina, aber auch in Bulgarien ermöglicht die Caritas Kindern und Jugendlichen den Schulbesuch. Dort lernen sie gemeinsam mit geflüchteten Kindern aus der Region. Für die sozial Bedürftigen unter ihnen finanziert die Caritas Schulbücher und Lernmaterial wie Stifte, Hefte und bei Bedarf auch warme Winterkleidung. PädagogInnen helfen bei den Hausaufgaben, und für Kinder mit Flucht- oder Gewalterfahrung wird psychologische Beratung angeboten. Alle Unterstützungsmaßnahmen kommen auch sozial benachteiligten Kindern aus der lokalen Bevölkerung zugute. So bleibt der soziale Friede gewahrt, und alle Kinder haben die gleichen Chancen auf einen Schulabschluss.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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