Interreligiöser Dialog
Wie Religionen zum Teil der Lösung werden

Foto: Brunner
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Mit den Worten: „Wenn ihr nicht wollt, dass Religion ein Teil des Problems ist, müsst ihr Religion zum Teil der Lösung machen“, eröffnete Botschafter Christoph Thun-Hohenstein vom Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten am 05. Februar 2024 die Feier zum internationalen Tag der menschlichen Geschwisterlichkeit in der Sky Lounge der Universität Wien.

Gemeinsam mit namhaften VertreterInnen verschiedener Religionsgemeinschaften begingen internationale und österreichische DiplomatInnen, TheologInnen und Verantwortliche für interreligiöse Projekte aus Österreich das 5-jährige Jubiläum der für den Dialog der Religionen zukunftsweisenden Abu Dhabi Declaration. Die Konferenz führte eindrücklich und berührend aus unterschiedlichen Perspektiven die Tragweite und das Potential des 2019 von Papst Franziskus und Großimam Ahmad Al-Tayyeb gemeinsam verfassten Dokuments vor Augen.

Kardinal Christoph Schönborn betonte die Einheit der Menschheit, in der Unterschiede ohne Spaltung gelebt werden können und zwar aufbauend auf der Liebe, die wir in Geschwisterlichkeit zueinander empfinden. Präsident Ümit Viral von der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich verwies auf den gemeinsamen Wunsch aller Menschen nach Frieden. Das Streben danach in der Realität erfordere allerdings aktives Handeln, Gerechtigkeit und Respekt. Das Akzeptieren von „gottgegebenen Unterschieden“ (Prof. Abdullah Takim, Universität Innsbruck) in „gegenseitigem Respekt und im Vertrauen zueinander“ (Oberrabiner Jaron Engelmayer, Israelitische Kultusgemeinde Wien) sind essentielle Bestandteile des interreligiösen Dialogs, aber auch des friedlichen Zusammenlebens in Vielfalt überhaupt.

Kein Graben zwischen Religiösen und Nicht-Religiösen

Wie Prof. Michaela Quast-Neulinger von der Universität Innsbruck betonte, kann die Abu Dhabi Deklaration nicht nur eine Richtschnur für Gläubige divergierender religiöser Überzeugungen sein, sondern letztlich für jeden Menschen, der in Frieden leben möchte. Es sei sehr gefährlich an dieser Stelle Gräben zu ziehen: Es kann nicht heißen, „wir Religiösen gegen Nicht-Religiöse“. Rabbi Schlomo Hofmeister von der Israelitische Kultusgemeinde Wien verwies darauf, dass nicht nur religiöse Werte verbindend wirken, sondern auch die Sozialisierung in einer gemeinsamen Kultur und demokratischen Gesellschaft.

Mehrfach betont wurde eine veränderte Perspektive der und auf Religionen, die vielfach nicht mehr als reine Autoritäten verstanden werden können, sondern vielmehr als „ermächtigende Autoritäten“ (Prof. Michala Quast-Neulinger, Universität Innsbruck) zum Empowerment jede/r Einzelnen, zum Fragen-Stellen und zum Zusammenkommen anregen und einladen.

Letztlich muss das Gelingen eines friedlichen Zusammenlebens in Vielfalt „von der Zivilgesellschaft getragen werden“ (Botschafterin Franziska Honsowitz, Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten). An diesem Punkt zeigen interreligiöse Projekte wie ComUnitySpirit – Religionen und Kulturen im Dialog des Afro-Asiatischen Instituts Graz (vorgestellt von Jennifer Brunner) ihre Relevanz, denn „authentischer Dialog muss erst erlernt werden“ (Brigitte Proksch, Forum für Weltreligionen). Erst im echten Zuhören und im Gespräch, im gemeinsamen Arbeiten, im Betrachten dessen „was Schmerz in unserem Kontakt verursacht“ (Johannes Vetter, Fokolar-Bewegung), können wir als religiös und kulturell diverse Gesellschaft aneinanderwachsen.

Auch miteinander Kochen und Fußballspielen

Diese Prinzipien der Kultur des Dialogs und des Respekts lebt ComUnitySpirit auf mehreren Ebenen: als Schnittstelle zwischen Religions- und Bekenntnisgemeinschaften zur Stadt Graz als Geschäftsstelle des Interreligiösen Beirats; als Service-Stelle, die Informationen bereitstellt (z.B. Multireligiöser Kalender) und vernetzt; auf der Ebene der inhaltlichen Auseinandersetzung etwa im Rahmen unserer jährlich im Rathaus der Stadt Graz zu aktuellen Themen stattfindenden Fachtagung und als echter Begegnungsraum.

Besonders Letztgenanntes zeigt die Lebendigkeit und Vielfalt im interreligiösen Dialog: bei Fußballturnieren, beim Wandern, beim Besuch der „anderen“ Gemeinschaften und Kultstätten, beim gemeinsamen Kochen usw. Das Dokument zur „Brüderlichkeit aller Menschen“ von 2019 definiert „die Kultur des Dialogs als Weg, die allgemeine Zusammenarbeit als Verhaltensregel und das gegenseitige Verständnis als Methode und Maßstab“. 

Jennifer Brunner

Zum Afro-Asiatischen-Institut Graz

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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