Die letzten Kriegstage
Erinnerung an zerbombte Kirchen

Besonders schwer wurde die Pfarrkirche von Amstetten Herz Jesu beschädigt.
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Vor 75 Jahren wurden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auch Kirchen zerstört. Besonders schwer getroffen wurden auf dem Gebiet der Diözeses St. Pölten die Gotteshäuser von Rust, Traisen und Amstetten Herz Jesu. Eigentliche Ziele waren sie zumeist nicht.

Der Zweite Weltkrieg brachte für Millionen Menschen unvorstellbares Leid. Noch in den letzten Kriegswochen des Jahres 1945 gab es unzählige Tote und Opfer durch den vom nationalsozialistischen Regi­me ausgelösten Welt­krieg. Neben den menschlichen Tragödien und Kriegsschäden an Wohnhäusern und Infrastruktur waren auch kirchliche Einrichtungen von der Zerstörung durch Bomben betroffen.

Vor allem in den Monaten vor Kriegsende wurden mehrere Kirchen von Bomben und Kriegshandlungen schwer beschädigt. Karl Kollermann vom Diözesanarchiv betont gegenüber „Kirche bunt“: „Praktisch völlig zerstört waren die Herz Jesu-Kirche in Amstetten, die Kirche in Rust im Tullnerfeld sowie die Filialkirche in Traisen.“ Schwere Schäden gab es auch an der Stiftskirche Lilienfeld, an den Kirchen in Gerersdorf, Obritzberg und Amstetten-St. Stephan und an der Krankenhauskapelle in Gmünd. Auch die Kirchen in Kaumberg, Lan­gen­le­barn, Langenrohr, Tulln, Traismauer und Weißenkirchen an der Perschling waren beschädigt worden. Darüber hinaus hatten zahlreiche weitere Kirchen Dach- oder Fensterschäden.

Es fehlte am Ende des Krieges an Baumaterial und auch an Arbeits­kräften, da viele Männer in Kriegsgefangenschaft waren. „Darüber hinaus war vorrangiges Ziel die Wiederherstellung von Wohnraum für die Bevölkerung“, so Kollermann.

Während des Zweiten Weltkrieges fielen auf das Gemeindegebiet von Rust knapp 4.000 Bomben. Neben vielen Häusern wurde auch die Kirche getroffen – und zwar gleich dreimal, zuletzt am 25. Jänner 1945. „Rust hat deshalb so viele Bomben abbekommen, weil in Moosbierbaum eine Flugbenzinfabrik war, die das eigentliche Ziel darstellte“, erklärt Pfarrmitarbeiter Franz Ganser. Rust sei aufgrund der damaligen Ungenauigkeit der Abwürfe so oft getroffen worden. Die Kirche wurde nach dem Krieg mühevoll nach Plänen von Karl Holey in den Jahren 1947 bis 1949 wieder aufgebaut.

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde die Johanneskirche in Traisen schwer beschädigt. Nach der Wiederinstandsetzung weihte Abt Martin Matschik 1948 die Johanneskirche ein. Der jetzige Pfarrer von Traisen, Abt Pius Maurer, erinnert daran, dass neben der Kirche während des Zweiten Weltkrieges eine Munitionsfabrik war, die zum Ziel von Luftangriffen wurde. Der Ort war schwer umkämpft, laut Berichten wurden bei den Kämpfen etwa hundert russische Soldaten getötet und viele Wohnungen zerstört.

Priester vertraute auf höhere Hilfe

Am 20. März 1945 wurde Amstetten von schweren Bombenangriffen heimgesucht, bei denen viele Menschen starben. Darunter waren dutzende KZ-Häftlinge, die wegen Aufräumarbeiten aus dem damaligen Konzentrationslager Mauthausen in die Mostviertler Stadt gebracht worden waren. Man verwehrte ihnen den Zugang zu den Luftschutzbunkern, etliche wurden regelrecht „zerfetzt und hingen in den Bäumen“, erinnern sich Zeitzeugen.

Es gab Amstettner, die keinen Schutz suchten, sondern auf „höhere Hilfe“ vertrauten, wie Gerold Keusch vom Nachrichtenmagazin „Truppendienst“ des österreichischen Bundesheeres in der Ausgabe vom März 2017 berichtete. Ein Priester der Herz Jesu-Kirche sei – so heißt es – an diesem Tag auf einem der beiden Kirchtürme gestanden und habe zugesehen, wie die Bomben auf die Stadt fielen. Als die letzten Flieger den Himmel über der Stadt verließen, schlugen die letzten Bomben ein. Eine davon traf auch den Mitteltrakt der Kirche neben den Türmen. Der Priester sei unverletzt geblieben. Die Kirche und mit ihr die Totenglocke waren jedoch zerstört. „An dem Tag, als die meis­ten Menschen in Amstetten starben und man sie am meisten benötigte, war sie verstummt“, so Keusch. Die Reste der Totenglocke aus dem zerstörten Turm der Herz Jesu-Kirche wurden Jahre später gefunden und wieder zusammengefügt. Sie befinden sich heute in dem Teil der Kirche, der damals von der Bombe besonders zerstört wurde und sind ein Mahnmal gegen Tod und Zerstörung.

Kirchen als Orientierungshilfen

Es waren nicht immer Angriffe von Bomberverbänden. Am 16. April 1945 flog abends ein russischer Jagdbomber über die Stadt, der drei Bomben abwarf. Diese trafen den Haupttrakt des Franziskanerinnenklosters, die Klosterkirche und den südlichen Trakt der Amstettner St. Stephans-Kirche.

Die Treffer auf die Einrichtungen der Kirche geschahen nicht in der Absicht, religiöse Symbole treffen zu wollen. Das ergab die spätere Auswertung der Angriffsberichte. Unumstritten ist jedoch, dass einzelne Flieger sich auch an Kirchen orientierten, die sich häufig in den Zentren von Städten befanden. Beim letzten Angriff am 8. Mai 1945, der so wie der erste Angriff nicht planmäßig erfolgte, fielen die letzten Bomben des Zweiten Weltkrieges auf österreichischen Boden.

Autor:

Wolfgang Zarl aus Niederösterreich | Kirche bunt

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