Frieden am 8. Mai 1945
Als bei uns der 2. Weltkrieg endete

8. Mai 1945: Sowjetische Panzer in der Wachau – im Hintergrund das Stift Melk. | Foto: oenb.at
  • 8. Mai 1945: Sowjetische Panzer in der Wachau – im Hintergrund das Stift Melk.
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Wir befanden uns gegen Kriegsende ja direkt zwischen den Fronten“, erinnert sich die 89-jährige Antonia Stuphann aus der Pfarre Grünau. Ihr Elternhaus, ein Bauernhaus, befand sich in Dietmannsdorf, das zur Pielachtaler Gemeinde Weinburg gehört. Im Wald direkt hinter ihrem Elternhaus hatten „die Deutschen“ Stellung bezogen und nur drei Kilometer entfernt, in Wilhelmsburg, seien „die Russen“ stationiert gewesen. Davon, dass die Sow­jets Wien bereits am 13. April bezwungen hatten und auch von der ab 27. April amtierenden provisorischen Regierung erfuhr die Familie nur von einem Nachbarn, bei dem ein aufs Land geflüchteter Wiener wohnte. Im Pielachtal merkte man vom nahenden Ende jedoch nichts: „Wir mussten uns immer wieder vor Tieffliegern und Geschossen in Sicherheit bringen – fünfzehn Einschlagstellen zählte mein Vater nach Kriegsende auf unserem Grund.“ An ein religiöses Leben war in dieser Zeit keinesfalls zu denken: „Als der alte Wirt unseres Ortes verstarb, war unser Vater als Vorbeter als einer der wenigen Begräbnisteilnehmer. Die Leute gingen nicht auf die Straße – wie auch jetzt wegen der Coronakrise. Nur gut, dass heute nicht geschossen wird!“

Das angebliche Kriegsende

„Der Krieg ist zu Ende!“, titelte die Tageszeitung Neues Österreich (siehe Foto links oben) am 8. Mai 1945. Diese war bereits ab Ende April, vor dem offiziellen Kriegsende, von den Gründerparteien der Zweiten Republik Österreich (ÖVP, SPÖ und KPÖ) als „Organ der demokratischen Einigung“ gegründet worden. Die Zeitung orientierte sich dabei an der Meldung über die bedingungslose Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Diese hatte Wehrmachts-Generaloberst Alfred Jodl am 7. Mai 1945, genauer um 02.41 Uhr, im Hauptquartier von General Dwight D. Eisenhower im französischen Reims unterzeichnet. Der Waffenstillstand sollte ab 9. Mai in Kraft treten, weshalb der Krieg, anders als in der Zeitung Neues Österreich verkündet, am 8. Mai in großen Teilen des Landes noch nicht vorbei war. In Niederösterreich kam es an diesem Tag noch zu schweren Gefechten. Betrachtet man das Gebiet der Diözese St. Pölten, so muss etwa von zwölf Toten berichtet werden, die an diesem Tag im Artilleriefeuer in Rohrendorf verstarben. Während im Bezirk Lilienfeld Orte wie Türnitz, St. Aegyd am Neuwald, Annaberg und Hohenberg unter Artilleriebeschuss standen, erlebte der Bezirk St. Pölten Land letzte sowjetische Tieffliegerangriffe. In Krems wurde die Donaubrücke von deutschen Truppen gesprengt – bevor sie die Stadt kampflos der Roten Armee überließen.

Die Koordination und Kommunikation zwischen alliierten Kräften verlief nicht immer ideal: Als sowjetische Flieger begannen, Amstetten zu bombardieren, hatten hier die amerikanischen Truppen bereits die deutsche Wehrmacht vertrieben. Auch Stadt Haag erreichten amerikanische vor russischen Soldaten. Nördlich der Donau führte die fehlende Kommunikation zu einem schwerwiegenden Missverständnis: In Aggsbach Markt lieferten sich US- und sowjetische Truppen ungewollt ein Feuergefecht. Etwa 25 Kilometer entfernt, in der Gemeinde Erlauf, nahe Melk, kam es zu einem weitaus friedlicheren Zusammentreffen zwischen den beiden alliierten Kräften: In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai feierten hier der sowjetische General Dmitri Dritschkin und der US-amerikanische General Stanley Reinhart gemeinsam den Waffenstillstand.

Erinnerung an das Kriegsende

In Antonia Stuphanns Erinnerung endete der Krieg mit einem Schlag: „Nach Wochen war die Schießerei auf einmal vorbei: In der Nacht hatten die Deutschen noch einmal sehr stark geschossen, doch am nächsten Morgen waren sie weg – abgezogen.“ Kurz darauf hätte ihr Vater bereits die ersten sow­jetischen Soldaten im Weinburger Ortsgebiet entdeckt. Auch der Hof der Familie wurde von zwei dieser „besucht“: „Als sie kamen, versteckte mein Vater noch schnell seine Taschenuhr – ansonsten blieb er entspannt. Meine Mutter hingegen machte sich große Sorgen um uns vier Töchter. Es war uns bereits erzählt worden, dass die Russen Mädchen vergewaltigen würden.“ Doch auch die russischen Männer hatten Angst: Das angebotene Fleisch aßen sie erst, als auch Antonia Stuphanns Vater ein Stück davon nahm. Und: „Sie fürchteten versteckte Deutsche. Mein Vater musste einem der beiden sogar den Heuboden zeigen.“ Der zweite Soldat blieb währenddessen bei der Mutter und ihren vier Töchtern in der Küche. Und hier suchte er nach Schnaps: „Er roch sogar an einem Weihwasserglas“, erinnert sich Antonia Stup­­hann heute schmunzelnd. Damals, als Vierzehnjährige, hätte sie jedoch große Angst gehabt: Der Soldat war nämlich bereits stark betrunken und zeigte die gesamte Zeit über mit seiner Pistole auf die Mädchen und ihre Mutter. Als die Jüngs­te der Familie, Frieda, aus Angst schließlich laut zu weinen begann, meinte er beschwichtigend: „Russki gut!“ Beim Abschied hätte er zudem allen vier Mädchen ein Bussi gegeben – zur Beruhigung sozusagen.

September: Kriegsende weltweit

Während in Österreich verschiedene Erfahrungen mit den Besatzungsmächten gemacht wurden – auch Frau Stuphann weiß darüber leider nicht nur Positives zu berichten – gingen die Kämpfe in Japan weiter. Offiziell weltweites Ende des Zweiten Weltkriegs ist deshalb der 2. September 1945. Sarah Triml


Die Kirche und das Ende des Zweiten Weltkriegs

In den letzten Kriegswochen wurden viele österreichische Gotteshäuser durch Bombardierungen beschädigt (Kirche bunt berichtete in Ausgabe 16). Zudem brannten in der Nacht zum 12. April 1945 Dachstuhl und Glockenturm des Wiener Stephansdoms aus. St. Stephan konnte dank vieler Spenden bereits 1952 feierlich wiedereröffnet werden. Und auch die innerkirchlichen Strukturen erfuhren nach Kriegsende so manche Erneuerung: Schon zu Kriegszeiten hatte man überlegt, wie das katholische Leben in Friedenszeiten gestaltet werden könne. In der Diözese St. Pölten wandte sich Bischof Michael Memelauer bereits zwei Wochen nach dem europäischen Kriegsende, am Pfingstmontag, dem 21. Mai, in einem Pas­toralschreiben an den diözesanen Klerus: Künftig solle die Kirche rein seelsorglich und fern aller Parteipolitik agieren. Nach Besprechungen mit diözesanen Priestern im beschädigten St. Pöltener Bistumsgebäude entwickelte der 70-jährige Bischof ein umfassendes religiöses und kirchliches Aufbauprogramm – zu diesem gehörte übrigens auch das Projekt der Gründung einer Kirchenzeitung.

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Chronologie der letzten Kriegswochen 1945

Nachdem es schon vor 1945 Bombardements österreichischen Bodens gegeben hatte, kamen im Frühjahr 1945 mit den alliierten Truppen auch Kämpfe in die Straßen der Dörfer und Städte Österreichs. In wochenlangen Auseinandersetzungen kämpften alliierte Einheiten gegen die letzten deutschen Soldaten. Viele werden in diesen Tagen noch von der Wehrmacht getötet – so etwa Insassen von Konzentrationslagern oder auch entdeckte Wehrmachts-Deserteure.

  • 29. März: Erste sowjetische Militäreinheiten überschreiten im burgenländischen Klostermarienberg die Grenze.
  • 1. bis 14. April: Nahezu 2.000 KZ-Häftlinge müssen in Todesmärschen vom KZ-Außenlager Hinterbrühl nach Mauthausen gehen – Stationen unserer Diözese: Scheibmühl bei Traisen, Kirchberg an der Pielach, Scheibbs, St. Leonhard am Walde, Stadt Haag und St. Valentin. In Mauthausen kommen nur 1.624 der 1.884 Häftlinge an – 204 Männer sind wäh­rend des Marsches gestorben oder erschossen worden.
  • 13. April: Die Rote Armee erklärt die „Schlacht um Wien“ für beendet und verkündet die Einnahme der Stadt.
  • 15. April: St. Pölten wird nach langen Straßenkämpfen in der Nacht von den sowjetischen Streitkräften übernommen.
  • 23. April: Die erste Ausgabe von Neues Österreich erscheint.
  • 27. April: Die neue provisorische österreichische Regierung verkündet die Wiederherstellung der Republik – nach sieben Jahren ist Österreich nun wieder ein eigenständiger Staat.
  • 28. April: US-Soldaten überschreiten die Grenze zu Tirol.
  • 29. April: Französische Truppen betreten Vorarlberger Boden.
  • 30. April: Adolf Hitler begeht in Berlin Selbstmord.
  • 5. Mai: Befreiung KZ Mauthausen, das auch eine Außenstelle in Melk hatte (das KZ-Außenlager Melk wurde am 20. April 1944 gegründet. Am Tag darauf trafen die ersten Häftlinge (500) aus dem KZ Mauthausen ein. Unter der Tarnbezeichnung „Quarz“ begann der Bau der Stollenanlage in Roggendorf sowie die Einrichtung des Konzentrationslagers in der „Freiherr von Birago“-Kaserne in Melk.)
  • 6. Mai: Britische Truppen gelangen nach Kärnten.
  • 7. Mai: In den frühen Morgenstunden unterzeichnet Generaloberst Alfred Jodl in Reims die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht und aller Teilstreitkräfte.
  • 8. Mai: Während in Paris oder London bereits das Kriegsende bejubelt wird, finden in Teilen Österreichs letzte Kämpfe statt. Nachts feiern aber auch in Erlauf der sowjetische General Dmitri Dritschkin und der US-amerikanische General Stanley Reinhart gemeinsam den Waffenstillstand.
  • 2. September: Mit der Kapitulation der japanischen Streitkräfte endet der Zweite Weltkrieg endgültig.
Autor:

Kirche bunt Redaktion aus Niederösterreich | Kirche bunt

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