19. Sonntag im Jahreskreis | 7. August 2022
Kommentar

Nicht Zumutung, sondern Aufgabe.

„Große Freiheit“ heißt die Straße in Hamburg, in der sich die Kirche St. Joseph befindet. Der Name – so hat uns bei der Sonntagsblatt-Reise der dortige Pfarrer Karl Schultz erklärt – bezieht sich auf die Religionsfreiheit, die der katholischen Gemeinde nach der Reformation gewährt wurde. Heute tritt das Gotteshaus dezent zurück hinter die Häuserzeile der schrillen Etablissements im Vergnügungsviertel von St. Pauli. Da wird Freiheit eher mit Freizügigkeit verwechselt, was nicht selten mit einem bösen Erwachen und in seelischem Elend endet.
Dagegen ist die Freiheit, in die Gott den Menschen führen will und die Jesus mit der Botschaft vom Reich Gottes verkündet, ein kostbarer Schatz. Als Kirche sind wir berufen, diesen Schatz zu hüten und zu pflegen. Das können wir aber nicht, indem wir ihn wegsperren und sicher verwahren, sondern nur, indem wir ihn furchtlos den Menschen anbieten und ihnen ein Leben in der Freiheit der Kinder Gottes durch eigenes Beispiel schmackhaft machen.
Pfarrer Schultz hält die ursprüngliche Bedeutung der Großen Freiheit in Erinnerung, indem er seine Kirche nicht vor dem Trubel des Nachtlebens verschließt, sondern sie bewusst samstagabends offenhält, damit Menschen, die spontan eintreten, darin Stille und wahre Freiheit atmen können. Obwohl seine Gemeinde nur eine kleine Herde ist, lässt er sich ohne Berührungsängste auf die Begegnung mit dem Milieu, in das seine Kirche eingebettet ist, ein und betrachtet das Treiben vor der Kirchentür nicht als Zumutung, sondern buchstäblich als Heraus-Forderung und Aufgabe.

Alfred Jokesch

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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