Zur Bischofssynode: Die Kirchen im Nahen Osten | Teil 01
Von Todesangst und Hoffnung

Irak

Das hatte ich jetzt nicht so erwartet: Als wir in Erbil, der Hauptstadt des kurdischen Nordirak landen, empfängt uns ein kleiner, aber feiner und moderner Flughafen. Die Passkontrolle ist unkompliziert, und die Grenzpolizei empfängt uns mit einem "Welcome in Kurdistan!" Auf der Autofahrt quer durch den Nordirak Richtung Iran bis nach Sulaymaniah, der kurdischen Millionenstadt, sehen wir beste Autobahn, LKW mit Gütern aller Art, links und rechts reiche Bautätigkeit. Ein prosperierender Irak, der im Schutz des kurdischen Nordens die Möglichkeit hat, sich wirtschaftlich und politisch zu entwickeln. Aber außerhalb dieser Zone wird es schwierig.

Gemeinsame Sorgen. 
Auf Einladung des chaldäischen Erzbischofs von Kirkuk, Louis Sako, veranstaltete die von Kardinal König gegründete Stiftung Pro Oriente im Mai unter meiner Leitung im Irak ein Studienseminar zur Situation der Christen. Der Hintergrund ist die von Papst Benedikt XVI. einberufene Sondersynode für den Nahen Osten. Es war Erzbischof Sako, der diese Idee an den Papst herangetragen hatte. Da die Synode nur die katholischen Bischöfe der Region versammeln wird, wollten wir die drängenden Themen gemeinsam mit Bischöfen unserer orthodoxen Schwesterkirchen beraten. So sollten sie wenigstens indirekt eine Stimme bei der 
Synode haben. In den Gesprächen ging es 
u. a. um Auswanderung, Bildung, Beziehungen zum Islam und zum jeweiligen Staat.

Verlust. 
Insgesamt haben die Kirchen - ob katholisch oder orthodox - als Minderheiten die Schwierigkeiten gemeinsam zu bewältigen. Das größte Problem ist wohl die anhaltende Auswanderung auf Grund der ökonomisch und politisch unsicheren Lage. Im Norden Kurdistans fühlt man sich ungefährdet. Als wir mit Erzbischof Sako aber nach Kirkuk fahren, verlassen wir den inneren Sicherheitsgürtel Kurdistans. Wiederholt passieren wir militärische Checkpoints, bis wir endlich die Flammen der Ölfelder des Zentrums der irakischen Erdölindustrie sehen. "Die Lage der Christen im Irak ist tragisch, denn sie sind häufig Opfer von Gewalt und verlassen deshalb ihr Heimatland", erklärt Erzbischof Sako. "Aber sie sind die ältesten Bewohner des Landes und prägten die Kultur schon lange vor der Ankunft des Islam. Ihr Weggehen ist daher nicht nur ein Verlust für die christlichen Gemeinden, sondern für die Gesellschaft."

Beim Imam.
Der Sitz von Erzbischof Sako ist eine kleine Oase in Kirkuk, jedoch müssen Betonpoller und Militär die Kirche schützen. Schräg gegenüber ist eine Moschee, die ebenso von Sicherheitskräften bewacht wird. Der Erzbischof nimmt uns mit zu einem Besuch bei Imam Ahmed, der uns herzlich empfängt. Sako hat beste Beziehungen zum Islam und ist von den Muslimen hoch geachtet.

Der Terror. 
Es ist vor allem der fundamentalistische, meist wahabitische Islam, der die Christen bedrängt. Dies erfahren wir später in den umliegenden Dörfern Mosuls vom syrisch-katholischen Erzbischof Casmoussa. Im Mai waren bei einem Bombenattentat auf einen mit christlichen Studenten besetzten Buskonvoi vier Studierende getötet und über 160 zum Teil schwer verletzt worden. "Die irakische Regierung und die Sicherheitskräfte sind aber nicht in der Lage, die Christen vor militanten Islamisten zu beschützen, die uns aus dem Land vertreiben wollen", analysiert Casmoussa. Aber die Situation im Irak ist keineswegs eindimensional: Während die Lage der Christen vielerorts beklemmend ist, kehrt in christliche Dörfer in "Kurdistan" die Hoffnung zurück.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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