Das Konzil wieder lesen | Teil 10
Unterwegs mit den Menschen

Der Mensch steht im Mittelpunkt der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils. | Foto: Wodicka
  • Der Mensch steht im Mittelpunkt der Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils.
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Die Thematik war ursprünglich auf mehrere Dokumente verstreut; das jetzige Dokument wurde – als das damals sprichwörtliche „Schema XIII“ – in acht Fassungen erarbeitet.

Der endgültige Aufbau wurde in dieser Serie bereits vorgestellt und umfasst zwei Hauptteile: In Hauptteil I geht es um die menschliche Person, die menschliche Gemeinschaft und das menschliche Schaffen und daran anschließend um die Aufgabe der Kirche in der Welt von heute. Im Hauptteil II werden verschiedene Themen behandelt, die für die Gesellschaft ebenso wichtig sind wie für die Kirche: Ehe und Familie, der kulturelle Fortschritt, das Wirtschaftsleben, die politische Gemeinschaft, der Frieden und der Aufbau der Völkergemeinschaft.

Was ist das – eine Pastoralkonstitution?

Im Normalfall finden sich in einem Konzilsdokument, das als Konstitution bezeichnet wird, bleibend gültige Aussagen des Glaubens. Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums ist anders und deshalb einzigartig. Es geht darin natürlich auch um die Lehre der Kirche – aber sie wird in Beziehung gesetzt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit, wie sie vom Konzil wahrgenommen wurde. Daher der Titel des Dokumentes: „Die Kirche in der Welt von heute.“ Und von daher erklärt sich auch die Bezeichnung: Pastoral-Konstitution. Denn das Wort „Pastoral“ bezeichnet genau dieses Verhältnis zwischen Kirche und Gesellschaft.

Aggiornamento konkret
Mit der Pastoral-Konstitution hat das Konzil ein Dokument geschaffen, das also bewusst zeitbezogen sein will und in manchem auch die Unsicherheiten widerspiegelt, die sich für die Kirche in Einzelfragen bzw. hinsichtlich konkreter Weisung ergeben können. So wurde z. B. die Frage der Geburtenkontrolle zwar in den Grundzügen behandelt, nicht aber die Frage, wie die Kirche die damals neue ‚Pille‘ bewerten soll. Die konkreten Weisungen der Konstitution stießen – innerhalb und außerhalb der Kirche – bei denen auf Unverständnis, die die Kirche nur auf die Verkündigung des Evangeliums und die Feier der Sakramente festlegen wollten und wollen.

Die Zeichen der Zeit

Wenn man sagt, dass die Kirche zeitgemäß sein soll, dann klingt das für manche als riskant. Man vermutet schnell, dass die Kirche ihre Glaubensgrundsätze an den Zeitgeist verkaufen könnte. Dieser Gefahr war sich auch das Konzil bewusst. Und so kommt es am Beginn von Hauptteil I über „Die Kirche und die Berufung des Menschen“ auf die „Zeichen der Zeit“ zu sprechen. Die Kirche will – wie es im Text heißt – auf die Ereignisse, Bedürfnisse und Wünsche, die sie mit allen Menschen teilt, eingehen und zu erkennen versuchen, „was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind“ (GS 11). Einerseits soll also die tatsächliche Situation der Welt, der Menschen, der Gesellschaft… wahrgenommen werden; andererseits soll versucht werden, diese Beobachtungen im Licht des Glaubens zu verstehen. Es geht also um das, was man in der Geschichte der Spiritualität „Unterscheidung der Geister“ nennt.
Nicht das, was faktisch der Fall ist, ist schon der Wille Gottes; sondern die Kirche versucht im Blick auf die Dinge, den Willen Gottes zu erkennen. Ein Beispiel: die ungeheure weltweite Kluft zwischen Arm und Reich ist ein Faktum, aber nicht der Wille Gottes. Aber im Blick auf diese Kluft können Christinnen und Christen und damit auch die Kirche erkennen, dass es Gottes Wille ist, alles zu unternehmen, um diese Kluft zu verringern.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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