heilsam sprechen. Fastenserie mit Anselm Grün | 04
Trösten, das meint stehen bleiben

Der Trauerkelch wird zum Kelch des Trostes. | Foto: KNA

Bei Trauerkursen erzählen mir die Teilnehmer oft, dass sie sich mit ihrer Trauer von der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen.

Manchmal wechseln die Freunde die Straßenseite, wenn sie kommen. Sie wollen mit ihrer Trauer nichts zu tun haben. Eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, durfte in ihrer Verwandtschaft den Namen des verstorbenen Kindes nicht erwähnen. Sie durfte die oberflächliche Stimmung ihrer Verwandten nicht stören.

Trauernde suchen nach Trost. Trost heißt aber nicht vertrösten. Fromme Worte trösten mich nicht in meiner Trauer. Trost kommt von Treue, und das meint: Festigkeit. Zum Tröster wird einer, der bei mir in meiner Trauer, in meiner Verzweiflung, in meiner Hoffnungslosigkeit stehen bleibt, der meine Tränen aushält. Trauern heißt: matt werden, keinen Boden unter den Füßen haben. Da sehne ich mich nach jemandem, der zu mir steht.

Verwandelte Trauer. Das lateinische Wort für Trost ist „consolatio“. Das meint, dass einer mit mir Einsamem ist, dass jemand den Mut hat, in meine Einsamkeit einzutreten und bei mir zu bleiben. Wenn einer bei mir stehen bleibt in meiner Trauer, dann bekomme ich auch den Mut, von dem Verstorbenen zu erzählen. Und das Erzählen tut mir gut.

Trösten heißt dann: mich weiter zu fragen, was der oder die Verstorbene mir sagen möchte, was ihre Botschaft an mich ist. Dann kann ich allmählich glauben, dass meine Trauer ein Ziel hat: eine neue Beziehung zum Verstorbenen aufzubauen, ihn als inneren Begleiter zu erfahren. Das kann meine Trauer allmählich verwandeln.

Rituale helfen. Die Trauer dürfen wir nicht überspringen. Sonst wird uns ein Trauerkloß im Hals stecken bleiben. Und oft genug wird sich die verdrängte Trauer als Depression zeigen. Eine wichtige Hilfe beim Trösten sind Rituale. Die Juden kennen das Ritual des Trauerkelches.

In der Eucharistie haben wir dieses Ritual übernommen. Wir halten in der Gabenbereitung unseren Trauer­kelch Gott hin, mit der Bitte, ihn in einen Trostkelch zu verwandeln. In der Kommu­nion trinken wir aus dem Trostkelch, der von der Liebe Christi erfüllt ist. Und wir dürfen in der Eucharistie die Gemeinschaft mit den Verstorbenen erfahren. Wir feiern das Mahl gemeinsam mit den Verstorbenen, die jetzt im Himmel das ewige Hochzeitsmahl feiern. So hebt jede Eucharistiefeier die Grenze zwischen Himmel und Erde, zwischen Lebenden und Verstorbenen auf.

Sich selbst betrauern. Es gibt aber nicht nur die Trauer über den Verlust lieber Menschen, sondern auch die Trauer um verpasste Lebenschancen, über zerbrochene Lebensträume und über die eigene Durchschnittlichkeit. In Gesprächen erlebe ich oft Menschen, denen es schlecht geht, weil die Bilder, die sie von sich und ihrem Leben haben, nicht mit ihrer Realität übereinstimmen. Ich versuche sie dann einzuladen, zu betrauern, dass ihr Leben nicht so ideal ist, wie sie es sich vorgestellt haben.

Trösten heißt dann, sie bei diesem Trauerprozess zu begleiten. Das führt die Trauernden in den Grund ihrer Seele. Dort entdecken sie auf einmal das Geheimnis ihres Lebens. Und sie kommen durch ihre Trauer hindurch in Berührung mit dem Gefühl der Dankbarkeit, dass sie so sind, wie sie sind, dass Gott alle Wege mit ihnen geht.

 

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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