Weltanschauungsarbeit heute | 7
Neue Heiden und Hexen

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Eine moderne Spielart alter Kulte?

Mond- und Sonnenfeste rituell feiern, magische Rituale abhalten, Naturwesen und -götter verehren – all das ist wieder modern und gefragt. Heidentum und Hexenrituale sind nicht nur in Covens und Szenegruppen präsent, sondern begegnen uns genauso in Esoterik und Wellness, Museumspädagogik, mittelalterlichen Re-Inszenierungen, aber auch in Fernsehserien und – natürlich – auf TikTok.
Die Wissenschaft fasst diese Trends unter dem Stichwort Neopaganismus zusammen. Obwohl es sich um eine sehr breit gefächerte, vielfältige Szene handelt, lassen sich einige Grundlinien beschreiben: Heiden und Hexen sind meist nur in kleinen, losen Gruppen organisiert, sind teilweise auch nur über virtuelle Netzwerke (z. B. Witch-Tok) verbunden. Verbindliche Strukturen oder eine ausdrückliche Glaubenslehre sind nicht notwendig, sogar eher verpönt. Vielmehr geht es um Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung, um Befreiung aus der Entfremdung durch die „moderne“ Welt, um Naturverbundenheit und Ursprünglichkeit.
Die meisten Heiden und Hexen sehen ihre Religion als die eigentliche und ursprüngliche, die da war, bevor sie vom Christentum verdrängt wurde. Dementsprechend sind sie meistens sehr kirchenkritisch oder auch kirchenfeindlich. Dabei muss man beachten, dass es praktisch keine authentischen Überlieferungen alter Religionen in Europa gibt. Kelten und Germanen hatten keine schriftlichen Aufzeichnungen, außerdem haben die Römer die „heidnische“ Kultur gründlich ausradiert. Heute gibt es also nur noch steinerne Monumente, die da und dort in der Landschaft zu finden sind. Auch alte Beschreibungen der heidnischen Bräuche und Rituale sind bereits aus christlicher Perspektive verfasst. Ob manche Traditionen im Volksglauben und in bäuerlichen Bräuchen wirklich auf die frühere heidnische Kultur zurückgehen, ist nicht feststellbar. Die heutigen Heiden und Hexen bauen daher ihre Rituale zwangsläufig auf Neuerfindungen und Rückprojektionen auf.
In der Naturverbundenheit und in der Gruppengemeinschaft des Neopaganismus kann man positive Ansätze einer persönlichen, religiösen Lebensgestaltung sehen und daher auch Heiden und Hexen im Sinne der religiösen Toleranz respektieren und wertschätzen. Problematisch ist die Tendenz der Szene zu politisch rechten, bisweilen auch rechtsradikalen und islamfeindlichen Haltungen, ebenso die anarchische Struktur, die Ausbeutung und Missbrauch Tor und Tür öffnet.
Meinrad Föger


Mag. Meinrad Föger

ist Pastoralassistent und Fachberater für Weltanschauungsfragen in der Erzdiözese Salzburg.

  • Was bedeutet „Weiße Magie“?
    Ein wichtiger Ehrenkodex unter Hexen besagt, dass durch die Magie niemandem etwas Schlechtes angetan werden darf, denn das Böse komme dreifach auf die Hexe zurück. Zum Unterschied zu dieser „Weißen Magie“ bezieht die „Schwarze Magie“ auch Schadenszauber und negative Kräfte mit ein. In der Praxis lassen sich die beiden Aspekte allerdings nicht immer trennen.
  • Kann ein magisches Ritual wirklich etwas bewirken?
    Es ist klar, dass das, woran man glaubt, auch etwas bewirkt. Ein Ritual kann auf jeden Fall die eigene Gestimmtheit und Selbstsicherheit verändern, somit auch das eigene Verhalten. Ein Ritual kann aber auch die Wahrnehmung der Tatsachen verändern, also gewissermaßen eine eingebildete Wirkung verursachen. Man muss daher „Magie“ keineswegs mit „Zauberei“ gleichsetzen.

Referat bzw. Fachstelle für Weltanschauungsfragen
Jede Diözese verfügt über ein Referat bzw. eine Fachstelle für Weltanschauungsfragen. Diese Stellen bieten …

  • … Orientierung in der Vielfalt religiöser Bewegungen
    und weltanschaulicher Strömungen;
  • … persönliche Beratung und Hilfe für Menschen,
    die belastende Erfahrungen mit problematischen Gemeinschaften machen;
  • … schriftliche Information zu unterschiedlichen 
    Themenbereichen in Form von Texten, Broschüren und Lexikonartikeln sowie Materialien für die Bildungsarbeit und den Unterricht.

www.weltanschauungsfragen.at

Mag. Meinrad Föger ist Pastoralassistent und Fachberater für Weltanschauungsfragen in der Erzdiözese Salzburg. | Foto: Lochschmidt
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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