Mit Paulus Glauben lernen | Teil 02
Ein lebendiger Organismus

Viele Gesichter und viele Hände hat die Kirche, so wie die Künstlerin Sigmunda May sie sieht. Ihr Holzschnitt „Senfkorn Hoffnung“ drückt auch die lebendige Verbundenheit mit Christus aus. | Foto: Foto: Archiv
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  • Viele Gesichter und viele Hände hat die Kirche, so wie die Künstlerin Sigmunda May sie sieht. Ihr Holzschnitt „Senfkorn Hoffnung“ drückt auch die lebendige Verbundenheit mit Christus aus.
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Wie stellt sich Paulus Kirche vor?

Wahrscheinlich hat Paulus noch mehr als Jesus selbst Anteil an der Entstehung dessen, was wir „die Kirche“ nennen. Natürlich ist auch für Paulus Christus unanfechtbar das Fundament, auf dem die Kirche gründet, auf dessen Namen die Christen getauft sind und durch dessen Erlösungswerk sie gerettet sind. Natürlich hat Christus die Kirche mit all den „Mitteln“ ausgestattet, die sie zum Heilsdienst an den Menschen und zur Transformation der Welt benötigt.

Aber Paulus hat der Jüngerschaft Christi eine Form gegeben, indem er Gemeinden gegründet hat, ihnen Vorsteher gegeben und Anweisungen für die rechte Feier des Gottesdienstes und für ihr Zusammenleben erteilt hat. Er hat die Jesusbewegung, die zunächst auf eine Erneuerung des Judentums und die Sammlung Israels ausgerichtet war, geöffnet für die griechisch-römische Welt und auf eine viel breitere Basis gestellt. Sein theologischer Scharfsinn, seine prägnante Sprache, sein missionarisches Sendungsbewusstsein, sein Mut und nicht zuletzt sein Organisationstalent haben der jungen Kirche entscheidende Impulse gegeben, ohne die sie wohl nie ihre heutige Größe erreicht hätte.

Der Theologe und Jesuit P. Henri Boulad bezeichnet Paulus – eine seiner Lieblingsgestalten – als den ersten Theologen in der Kirche, „der ein phantastisches Bild des Christentums gezeichnet hat, eine Art Synthese des christlichen Glaubens“. Er empfiehlt auch heutigen Christen, so wie es Paulus getan hat, kleine Gruppen zu bilden, um ihr spirituelles Leben und ihr christliches Wissen zu vertiefen: „Kleine Zellen, die die Kirche als Gemeinschaft in einer dem Menschen angemessenen Größe repräsentieren, in denen die Leute ei-nander kennen, füreinander sorgen. Das ist für mich die Gestalt der Kirche von morgen.“

 

Gemeinschaft der Auserwählten. Noch vor der Gestalt aber geht es Paulus darum, das Wesen der Kirche griffig zu beschreiben. Zum einen verwendet er dafür den Begriff „Ekklesia“, mit dem Griechen und Juden gleichermaßen vertraut sind. Während die einen damit die Volksversammlung im politischen Alltag bezeichen, verwenden ihn die anderen zur Selbstbezeichnung Israels als Gottes auserwähltes Volk.

Schon die Jerusalemer Urgemeinde wendet die Bezeichnung auf die ganze Gemeinschaft der an Christus Glaubenden an. Paulus konkretisiert sie, indem er vornehmlich einzelne Ortsgemeinden, die Kirchen einer Region oder Hausgemeinden mit diesem Titel anspricht. In jedem Fall stehen dabei die Aspekte der Versammlung und der Erwählung als Wesensmerkmale von Kirche im Vordergrund.

 

Glieder am Leib Christi. Der prägnante Vergleich mit dem aus vielen Gliedern bestehenden einen Leib vertieft noch das Wesen christlicher Gemeinschaft, wie sie vor allem beim Herrenmahl erlebt wird. Sie ist demnach kein statisches Gefüge, sondern ein lebendiger Organismus, der immer in Bewegung und im Wachsen ist, der einem ständigen Prozess der Wandlung unterliegt und in einer nie ganz auflösbaren Spannung zwischen Einheit und Vielfalt lebt.

Der eine Leib ist beseelt von dem einen und einenden Geist. Er hält diese Spannung aufrecht und in einem fruchtbaren Dialog zuei-nander. Es ist der Geist Gottes, der in jedem Menschen wohnt und jeden mit spezifischen, einzigartigen Begabungen ausstattet. Unsere Berufung ist es, diese Charismen zu entdecken und zu entfalten.

Sie sind aber kein Selbstzweck. Paulus betont im gleichen Atemzug, wie wichtig es ist, seine Fähigkeiten zum Nutzen der anderen und zum Aufbau der Kirche einzusetzen. Denn dazu sind sie uns gegeben, und nur dadurch kann vermieden werden, dass sie der Eitelkeit und dem Egoismus Vorschub leisten. Das Hinschauen auf Christus und das Hinhören auf seine Botschaft wird zum Maßstab für ein Leben aus dem Geist.

 

Kirche ist eine Solidargemeinschaft. Paulus wird nicht müde, Kollekten für die Not leidende Jerusalemer Gemeinde durchzuführen. Die einzelnen Ortskirchen sind für ihn – auch materiell gesehen – kommunizierende Gefäße, zwischen denen ein beständiger Ausgleich und ein lebendiger Austausch stattfinden soll. Wenn ein Glied leidet, leidet der ganze Leib. Als weltumspannende Solidargemeinschaft leistet die Kirche auch heute Großartiges, und selbst bei knapper werdenden Ressourcen dürfen wir in den wohlhabenden Ländern diesen Auftrag nicht vernachlässigen.

Paulus setzt geeignete Personen als Gemeindeleiter ein, praktiziert aber einen durchaus kritischen Umgang mit der Hierarchie. Beim Apostelkonzil fordert er, niemandem unnötige Lasten aufzuerlegen. Es soll nicht durch Äußerlichkeiten der Blick auf das Wesentliche verstellt werden. Für die Erlösung genügt allein der Glaube an Jesus Christus. Darüber hinaus braucht es nichts.

Viele Gesichter und viele Hände hat die Kirche, so wie die Künstlerin Sigmunda May sie sieht. Ihr Holzschnitt „Senfkorn Hoffnung“ drückt auch die lebendige Verbundenheit mit Christus aus. | Foto: Foto: Archiv
Mit bunten Farben ist das Bild der Kirche gezeichnet.Foto: Fotolia-Kempf | Foto: Michael Kempf
Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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