Christentum - Ein Reiseführer | Etappe 001
Christentum – eine bekannte unbekannte Religion

Die christliche Prägung zahlreicher Länder und Erdteile sieht jeder, der sich mit wachen Augen auf den Weg macht. | Foto: Fotolia
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Wer sich in Europa sowie in den von Europa aus besiedelten Gebieten der Erde bewegt, spürt auf Schritt und Tritt den Einfluss des Christentums. Kathe-dralen, Kirchen und Kapellen bestimmen unser Stadtbild und setzen in Landschaften markante Akzente.

Christliche Zeit
Das Christentum hat aber nicht nur den Raum geprägt, sondern auch die Dimension der Zeit. So ist bereits unsere grundlegendste Zeitbestimmung, nämlich die Zeitrechnung, christlichen Ursprungs. Sie erkennt in der Geburt Christi den markantesten Einschnitt der Weltgeschichte und ordnet alle anderen Ereignisse danach ein, ob sie vor oder nach dieser Zäsur stattgefunden haben. Christliche Vorstellungen stehen hinter der Einteilung der Woche in ein Sieben-Tage-Schema; sie greift das jüdische Wochenschema auf, versteht jedoch nicht den Sabbat, sondern den Sonntag als Höhepunkt und erinnert damit an den Ostersonntag als den Tag der Auferstehung Christi. Zusammen mit dem Osterfest geben weitere Feste christlichen Ursprungs wie Weihnachten, Karneval oder Pfingsten dem Lauf des Jahres eine christliche Struktur.

Über diese konkreten Aspekte hinaus prägt das Christentum das in Europa und darüber hinaus übliche Verständnis von Zeit insgesamt. Sie wird anders als in den fernöstlichen Religionen nicht im Modell des Rades gedeutet, das in allem Wandel doch immer nur die Wiederkehr des ewig Gleichen bringt.

Christen verstehen die Zeit vielmehr als ein nach vorne offenes, in die Zukunft weisendes Geschehen, das nicht vorrangig durch die zyklisch wiederkehrenden Veränderungen der Natur, sondern wesentlich durch das freie Handeln Gottes und der Menschen bestimmt ist.

 Prägendes Menschenbild
Christliche Wurzeln besitzt darüber hinaus das in Europa vorherrschende Selbstverständnis des Menschen. Wenngleich die Menschenrechte ein universales Gut darstellen, so ist es doch kein Zufall, dass ihre Formulierung im Kontext des Christentums erfolgte. Die in der Heiligen Schrift zugänglichen Basistexte dieser Religion ehren den Menschen bereits auf der ersten Seite als das Ebenbild Gottes (Gen 1,26 f.) und billigen ihm damit eine unter den Religionen einzigartige Würdestellung zu. Die Botschaft Jesu bekräftigt diese Aussage, indem sie betont, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Leistung und seinem Status als Kind Gottes angenommen und geliebt ist.

Prägendes Gottesbild
Schließlich bestimmt christliches Denken auch das Bild Gottes und des Göttlichen sowie das Bild dessen, was groß und großartig anmutet. Der christliche Gott ist mächtig, aber er ist kein Despot. Er will Partner der Menschen sein. Aus Liebe zu ihnen nimmt er sich zurück, gibt seiner Schöpfung in sich Raum und ermöglicht seinen Geschöpfen damit ein Leben in Freiheit.

Christliches Denken
Das Christentum hat auch die Sprache und das Denken stark beeinflusst. Ungezählte Sprichwörter in vielen Sprachen der Erde gehen auf biblische Vorlagen zurück. Da-rüber hinaus sind zahlreiche Motive, Bilder und Geschichten in das Bewusstsein der Menschen eingeflossen und haben es geformt. Das Wort von der Hiobsbotschaft gehört ebenso dazu wie das in der Erzählung von der Sintflut gegebene Bild der Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, das Motiv der reuigen Sünderin ebenso wie die Geschichten vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Samariter.

Christliches Europa
So offensichtlich die christliche Prägung zahlreicher Länder und Erdteile ist, so ist doch klar, dass die Zahl der Christen im europäischen Kernland seit Jahrzehnten schwindet. Dennoch ist das Christentum auch in Europa nach wie vor bedeutsam. Immerhin gibt es in diesem Kontinent kaum ein Land, in dem nicht mindestens zwei Drittel der Bevölkerung getauft sind. Es ist nur nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein. Die Existenz von Nichtchristen im eigenen Umfeld fordert die Christen dazu heraus, nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor anderen Rechenschaft über ihren Glauben zu geben. Das „christliche Abendland“ war übrigens nie rein christlich. In ihm gab es stets auch die Juden und damit eine zweite monotheistische Religion. Vom achten Jahrhundert an kam mit der maurischen Herrschaft in Spanien eine dritte hinzu: der Islam. Bis ins Spätmittelalter hinein waren zudem große Teile der europäischen Bevölkerung weitgehend heidnisch.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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