Positionen - Elisabeth Wimmer
Zeitalter des Menschen

Bei uns zu Hause gibt es einen kleinen Zeit-Turm. Er wächst im Wohnzimmer, Schicht für Schicht, wenn wir wöchentlich die dann jeweils neue, aber noch nicht fertig gelesene Ausgabe unserer Wochenzeitung „Die Zeit“ auf den Stapel legen. Nach ihr ist er benannt. Wenn in vollen Arbeitswochen wenig Zeit zum Lesen bleibt, wächst der Zeit-Turm rasch, und die jeweilige Papierschicht bleibt nahezu unzerknittert.

Ein Artikel aus der aktuell zweit-obersten Ausgabe hat mich in den Bann gezogen. Es geht darin um viel, viel ältere Zeit-Schichten. Denn in jeder Epoche der Erdgeschichte lagern sich Teilchen aus Luft, Natur und Kulturwelt auf dem Boden ab, bilden eine Schicht, die wiederum von jüngeren Ablagerungen überdeckt und später zum Sediment wird. „Kalendereinträge der Erdgeschichte“ nennt der Autor des Beitrags Stefan Schmitt („Epochal“, Nr. 30/2023) diese Schichten. Sie geben etwa Hinweise auf verschwundene Saurier oder das Ende der Eiszeit.

Derzeit will eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe herausfinden, wie sich das menschliche Verhalten in den „Kalender“ des Erdbodens einschreibt. Verbunden mit der Frage: Welche Schichten markieren die Ära, die man „Zeitalter des Menschen“ nennen kann, „Anthropozän“? Die gefundenen chemischen Teilchen aus Industrie oder landwirtschaftlicher Überdüngung? Die radioaktiv strahlenden Spuren, die Atomwaffentests in den 1950er Jahren über die Erde verteilt hinterließen? Oder niedergerieselte Ruß- und Aschepartikel aus Verbrennung vieler Art? – Wie markieren wir Menschen im uralten Erd­boden die Zeit, die wir prägen?

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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