Positionen - Elisabeth Wimmer
Vom Zeugen in schwieriger Zeit

Es gibt wahre Geschichten, die jetzt – gerade jetzt – erzählt werden sollen. Eine ist die von Rami und Bassam. Rami Elhanan ist Israeli, Bassam Aramin Palästinenser. Höchst unterschiedlich sind ihre Lebensläufe, doch eines ist ihnen gemeinsam: Beide Männer haben eine Tochter gezeugt, beide Mädchen wurden getötet. Ramis damals 13-jährige Tochter durch den Anschlag eines Palästinensers, Bassams als 10-Jährige durch das Geschoss eines israelischen Grenzpolizisten.

Später lernten beide Väter das „Parents Circle Family Forum“ kennen, einen Kreis von Menschen unterschiedlicher Volks-und Religionszugehörigkeit, die durch Gewalttaten im israelisch-palästinensischen Konflikt Angehörige „verloren“ haben. Sie teilen Schmerz und Trauer und verweigern sich gemeinsam Rache und Hass. In Veranstaltungen werben sie dafür, die unheilvollen Kreisläufe zu unterbrechen, die die Gewalt in ihrem Land antreiben. – Wie schaffen es diese mutigen Menschen, nicht rächen zu wollen?

Im Roman „Apeirogon“ wurden Rami und Bassam zu Hauptfiguren. Kurz weicht der Autor Column McCann von der literarischen Form ab und gibt wieder, was die beiden tatsächlich erzählten: Auch von ihrem je eigenen Moment des Umdenkens. Dass Begegnungen zum Drehpunkt wurden. Das Einem-anderen-Menschen-ins-Gesicht-Schauen, ein Zuhören und Gewahrwerden, dass auch die anderen leiden, Schmerz empfinden. So konnten sie sich selbst einen Augenblick der Empathie erlauben. Der „Parents Circle“ will Begegnungen ermöglichen und damit Momente, in denen womöglich Friede gezeugt wird.

Elisabeth Wimmer

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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