Positionen - Alois Strohmaier
Vom großen Glück der Nähe

Von „herzzerreißenden Szenen“ während der Corona-Krise erzählt Mustafa Salkovic, Hausleiter in einem Klosterneuburger Seniorenheim. Der „Kurier“ berichtete in Wort und Bild: Eine betagte Frau mit einem Sträußchen Tulpen im Arm steht vor dem mit Plexiglas abgesicherten Besucherraum. Durch das Glas hindurch sieht man ihren Gatten im Rollstuhl. Seit 60 Jahren sind die beiden verheiratet. Jeden Tag besucht die Frau ihren Mann, um dank der vom Haustechniker geschaffenen „Besucherschleuse“ ein bisschen Nähe zwischen ihnen – den beiden Eheleuten – zu erleben. Es ist ein berührendes Beispiel für vieles Möglichgewordene. Und der für diese Entscheidung Verantwortliche betont: „Wir müssen tagtäglich Entscheidungen treffen und vielleicht am nächsten Tag davon Abstand nehmen. Immer geht es darum, wie weit menschliche Nähe in Form von Besuchen nächster Angehöriger ermöglicht werden kann.“
Der Steirer Alois Kothgasser, emeritierter Erzbischof von Salzburg, und der Ehtikprofessor Clemens Sedmak haben ein wunderbares Buch zum Thema „Quellen des Glücks“ geschrieben. Darin lese ich: „Einen Menschen zu lieben heißt auch, seine Nähe und Gegenwart zu suchen. Echte Nähe bedeutet immer auch ein Aufgeben von Schutz und Rolle, ein Aus-sich-Herausgehen.“
Diese Nähe, dieses Glück zu suchen und zu finden, auch dieses „Herausgehen“ aus der Sicherheit, ermöglicht die gegenwärtige Coronakrise. Die Entscheidung bei allen notwendigen Schutzmaßnahmen mit Herz und Hirn zu treffen bleibt dabei niemandem erspart.

Alois Strohmaier

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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