Positionen - Svjetlana Wisiak
Schritttempo

Gefühlt zwei Jahrzehnte (tatsächlich vielleicht sechs Wochen) übte ich mich beim Radfahren in der Kreativität der alternativen Routen-Auswahl, wenn ich mich von meinem Wahlheimats-Stadtbezirk Geidorf auf den Weg zum Grazer Zentrum machte. Der Grund war ein nur temporär frustrierender, auf lange Sicht jedoch sehr erfreulicher: Weil die Radspur verbreitert wurde, befand sich der gesamte Kaiser-Franz-Josef-Kai in baustellenbestaubter, für fahrende Pedalritter gesperrter, Aufruhr. Mich eher in einer Zweckpartnerschaft als einer leidenschaftlichen Hobbysport-Beziehung mit meinem Rad befindend, wählte ich also Umwege, die ich mehr lästig als entdeckerfreudig empfand.

Ging ich nun meinem tatsächlichen Hobbysport, dem Joggen, frühmorgens nach, so wählte ich die Route entlang des Kais mit umso größerem Genuss, die volle Breite des um diese Uhrzeit wenig frequentierten Wegs nutzend. Zumindest bis zu jenem Zeitpunkt, da mich ein Radfahrer, unrechtmäßig fahrender Weise, in einem schwindelerregenden Tempo aus meiner köhlmeierischen Hörbuchlektüre reißen würde. Den Impuls, einen kurzen, aber energischen Schubs in Richtung Mur zu tun, musste ich wiederholt verwerfen. Stattdessen brannte ich in meinen Gedanken eine unverwüstliche Spur des schlechten Gewissens auf der Radfahrer Seelen. Denn die Ignoranten ausgesprochener Weise zu belehren habe ich mir früh abgewöhnt. Aber wie wäre es mit einem Appell? An uns alle – ein bisschen mehr das Miteinander und ein Stückchen weniger das Ich zu suchen?
Um unser aller Stresspegel und Seelenfrieden wegen.

Svjetlana Wisiak

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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