Aus meiner Sicht - CR Herbert Meßner
Göttliche Weisheit und menschliche Torheit

Als der römische Kaiser Justinian in Konstantinopel im 6. Jahrhundert die damals größte Kirche der Christenheit erbauen ließ, wurde sie der heiligen Weisheit, der „Hagia Sophia“ geweiht. Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen wurde sie in eine Moschee umgewandelt. Als Zeichen, wer jetzt herrscht.
Konstantinopel fühlte sich damals vom Westen im Stich gelassen. Weder Kaiser noch Papst noch andere Mächte fühlten sich imstande oder waren willens einzugreifen.
Ist jetzt das Zeichen der göttlichen Weisheit wieder zum Spielball menschlicher Torheit geworden? Kemal Atatürk hatte den Bau zum Museum gemacht. Die neue Türkei sollte laizistisch sein. Freilich muss man gut unterscheiden, ob ein an sich religionsneutraler Staat eben dadurch Religionsfreiheit gewährleistet oder ob er in kämpferischem Laizismus die Religion bloß in die Privatsphäre verbannen will. Das gilt auch für westliche Gesellschaften.
Die jetzige Entscheidung, die einstige christliche Hauptkirche wieder zur Moschee zu machen, ist einmal mehr eine politische Maßnahme, die den Islam instrumentalisiert.
Der große Aufschrei aus dem Westen, auch aus der christlichen Ökumene, ist auch diesmal ausgeblieben, selbst wenn vielfach Bedauern ausgesprochen wurde. Kirchen des Ostens fühlen sich allzu oft im Westen vergessen. Die Einheit der Kirche wird zwar oft beschworen, aber nicht gelebt.
Möge die göttliche Weisheit auf ihren Wegen menschliche Torheit überwinden.

Herbert Meßner, Chefredakeur

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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