Mutworte - Ruth Zenkert
Der Hundebiss

Foto: privat

Wir wanderten an den Schafherden vorbei, als plötzlich Gruia, einer der großen, zotteligen Hirtenhunde, auf mich zulief und mich in die Wade biss. Zuerst kam der Schock, dann spürte ich den Schmerz. Im Krankenhaus wurde meine tiefe Wunde genäht. Lang ging ich nicht mehr auf diesem Weg. Die Welt wurde enger für mich. Da ermutigten mich die anderen, ich solle mich mit dem Hund versöhnen, sonst bliebe lebenslang die Angst.

So machten wir uns auf, mit einer Wurst in der Tasche und Zittern im Herzen. Die Hunde entdeckten uns. Bellend rasten sie heran. Sie rochen die Wurst. Jeder bekam ein Stück, sie waren zufrieden. „Jetzt musst du Gruia streicheln“, sagte einer. Ich riss mich zusammen, legte dem zotteligen Vieh vorsichtig meine Hand auf den Nacken und sagte mit süßer Stimme: „Du elender Sauhund, wollen wir Freunde werden?“ Der Hund schaute mich mit großen braunen Augen an, ein treuer Blick. Seither nahm ich ihm jedes Mal eine Wurst mit.

Vor kurzem waren wir wieder unterwegs, als uns eine andere kläffende Hundehorde entgegenkam. Flott gingen wir weiter, bis wir sie losgeworden waren. Ohne die Freundschaft mit Gruia hätte ich das nie geschafft. Welches Unglück, welcher Biss hat dich stärker gemacht?

Ruth Zenkert leitet das Sozialprojekt Elijah in Rumänien. Aus:elijah.ro/bimail

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ