„Menschenrelevant“
Genau das wollen wir sein

Das Thema „Es bleibt alles ANDERS“ deutete Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl – hier im Bild im Gespräch mit Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß – aus der Sicht des Glaubens. | Foto: Neuhold
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  • Das Thema „Es bleibt alles ANDERS“ deutete Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl – hier im Bild im Gespräch mit Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß – aus der Sicht des Glaubens.
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„Menschenrelevant“ ist die Kirche für Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl. – Ein Auszug seines Statements beim Kongress für Krankenhausmanagement in Graz.

Viel wurde in der Corona-Pandemie über die „Systemrelevanz“ von Kirche gesprochen. Wozu sind wir da? Wofür werden wir in der Gesellschaft gebraucht? Sind wir nur schönes Beiwerk, das für einen festlichen Rahmen sorgt – im privaten wie im öffentlichen Rahmen? Oder haben wir doch eine existenzielle Bedeutung für den Einzelnen und für die Gesellschaft, weil wir eben „lebensrelevant“ sind?

Eine Krise ist wie ein „Brennglas“. Das Brennglas hat eine doppelte Funktion: Es dient zum einen als „Vergrößerungsglas“. Andererseits macht es „Brennpunkte“ sichtbar – also Punkte, an denen es richtig heiß hergeht. Drei solcher „Brennpunkte“, die die Kirche und den Glauben in besonderer Weise in dieser Krise betrafen und betreffen, möchte ich näher ausführen.

Die Bedeutung „echter“ Begegnung
Wie unser persönliches Leben wesentlich von personaler Begegnung, von Berührung und Nähe geprägt ist, gilt das auch für die Kirche, den Glauben, die Seelsorge.
Im Nachhinein betrachtet, war die Kirche hier zunächst zögerlich und ängstlich. Hier hätte sie wohl deutlicher dieses „Recht der Begegnung“ einfordern müssen. Denn reale Begegnung ist unersetzlich – gerade in Krisensituationen wie Krankheit und Tod.
Als Erfahrung aus der Pandemie bleibt, welch enormen Bedarf an personaler Begegnung es in unserer Gesellschaft gibt. Unsere Seelsorge muss sich zukünftig noch stärker daran orientieren, wenn sie nicht an den existenziellen Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen will. Virtuelle Gottesdienste feiern und Sakramente spenden allein genügt nicht, um das Evangelium Jesu in seiner Gesamtheit in die Welt hinaus zu tragen.

Die Bedeutung gemeinschaftlichen Feierns
Die Feier der Eucharistie als Mitte und Höhepunkt christlichen Glaubens war über Wochen für die meisten Gläubigen nicht möglich.
Andererseits wurden in relativ kurzer Zeit Dank technischer Möglichkeiten Wege gefunden, zumindest auf digitalem Weg gemeinschaftlich feiern zu können. Wie groß das Bedürfnis der Menschen danach war, zeigten und zeigen die hohen Einschaltquoten und Zugriffszahlen in dieser Zeit. Wer hätte das vor Corona gedacht?
Die einfachere und vielfältigere Verfügbarkeit von Gottesdiensten auf digitalem Wege wird vorerst bleiben und ist sicher eine positive Frucht der Pandemie. Kommen dadurch doch auch Menschen mit kirchlichem Feiern in Berührung, die sonst nicht den Weg zum Sonntagsgottesdienst in die Kirche finden würden.
Bei aller Freude über diese Entwicklung muss man jedoch konstatieren, dass diese Art des Feierns maximal eine komplementäre sein kann und niemals die gemeinschaftliche Feier vor Ort zu ersetzen vermag. Die Erfahrung von Kirche lebt von der Erfahrung der Feier und Freude in Gemeinschaft.

Die Bedeutung von Solidarität
Die Kirche stellte sich in der Pandemie auf die Seite der Kranken, Einsamen, existentiell Bedrohten, Trauernden, und derer, die sich in Pflege und Medizin für andere über ihre Grenzen hinaus einsetzten.
Für die Kirche heißt es auch zukünftig, wenn es um Fragen der Solidarität und des gesellschaftlichen Miteinanders geht: Sie muss Position beziehen auf Seiten der Schwachen, Armen und Marginalisierten. Sie muss der Kitt sein, der unsere Gesellschaft zusammenhält, denn wir alle sind als eine Menschheit geliebte Kinder Gottes. Dies gilt es auch dann zu leben, wenn es für die Kirche dadurch vielleicht ein wenig ungemütlich wird.

Menschenrelevant. Zuletzt möchte ich über die reine Systemrelevanz hinausblicken. Ein System mag auch ohne Kirche funktionieren. So realistisch müssen wir sein. Aber wie steht es um die Menschen in einem System? Menschen ohne Glauben, ohne Kirche, ohne Ankerpunkte, die Werte, Halt und Hoffnung geben? Ich bin sicher, das hätte keine Zukunft. Deshalb sind wir weniger für das System relevant, sondern vor allem für die Menschen und deren Leben. Und genau das wollen wir auch sein.

Bischof Wilhelm Krautwaschl

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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