Taizé
Ein besonderes spirituelles Erbe weitertragen

Frère Alois Löser, (rechts), Prior der berühmten ökumenischen Taizé-Gemeinschaft, übergibt nach 18 Jahren sein Amt an Mitbruder Frère Matthew aus England (links). 
 | Foto: Marija Poklukar
  • Frère Alois Löser, (rechts), Prior der berühmten ökumenischen Taizé-Gemeinschaft, übergibt nach 18 Jahren sein Amt an Mitbruder Frère Matthew aus England (links).
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Taizé. Prior Frère Alois Löser übergibt sein Amt an Frère Matthew.

Der 16. August 2005 war für Frère Alois kein Tag der Beförderung. Als ihn beim Weltjugendtag mit dem neuen Papst Benedikt XVI. in Köln die Nachricht vom gewaltsamen Tod des 90-jährigen Ordensgründers Frère Roger erreichte, war klar: Von nun an musste er, der schwäbische Katholik Alois Löser, als Prior die berühmte ökumenische Gemeinschaft von Taizé leiten. Er tat es mit Visionen und Ideen, mit immer freundlicher Hingabe und Demut. Nun, nach 18 Jahren, will er den Stab abgeben. Im kommenden Advent übergibt der 69-Jährige das Amt des Priors an seinen 59-jährigen anglikanischen Mitbruder Frère Matthew.

Seit 1973, seit seinem 19. Lebensjahr, lebt der in Stuttgart geborene Frère Alois auf dem Hügel von Burgund. Als Besucher ließ er sich für die Idee von Taizé begeistern und erlebte das Vorbereitungsjahr auf das sogenannte Konzil der Jugend mit, das im August 1974 in Taizé begann. Die Eröffnung mit 40.000 Jugendlichen war ein großes Fest. Frère Alois: „Es herrschte echte Aufbruchstimmung; eine Hoffnung, dass sich in Kirche und Gesellschaft vieles verändert: mehr Gerechtigkeit, ein stärkeres christliches Engagement.“

Die frühen 1970er-Jahre waren eine wilde Zeit – Stichwort Studentenrevolte. Was hat die Jugend damals angezogen an diesem „Konzil“ von Taizé? Frère Alois: „Man hat gespürt, dass hier ein Ort ist, an dem einem zugehört wird, an dem man so sein kann, wie man ist, ohne dass gleich Forderungen gestellt werden.“ Taizé-Gründer Frère Roger änderte später die Richtung: Es dürfe nicht alles auf Taizé zentriert sein. Die Jugendlichen sollten konkret in die heimische Kirche hineinwirken. Mit den Worten von Frère Alois: „Wir wollten in Taizé und um Taizé herum keine organisierte Jugendbewegung aufbauen. Unser Aufruf ist bis heute: „Geht in eure Kirchengemeinden; dort ist der Ort der Kirche. Der Glaube kann nur in Gemeinschaft gelebt werden, und das muss in eurer Ortskirche stattfinden!“ Taizé sei „ein Ort des Durchgangs, ein Ort für Pilger“.

(K)ein Ort des Durchgangs

Für ihn selbst galt das allerdings nicht: Taizé blieb sein Leben. Im November 1974 trat er als Frère Alois in die Communauté ein. In Lyon studierte er Theologie, ist aber kein Priester. Wer mit ihm spricht, erlebt eine warmherzige und sehr integrative Persönlichkeit. Bei seinen jüngeren Mitbrüdern trug er den Spitznamen „Erzengel“. Schon 1997 benannte ihn Frère Roger zu seinem designierten Nachfolger.

Ein Schock – für viele Taizé-Anhänger von heute und gestern – war die Mitteilung im Sommer 2019, dass auch die so charismatische Ordensgemeinschaft in Burgund mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert war. Die Taten sollen vor allem zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren geschehen sein; zwei der drei beschuldigten Ordensbrüder waren bereits tot. Zermürbend für einen, der mit Idealismus und dem ohnehin bleischweren Rucksack angetreten war, ein riesiges spirituelles Erbe in eine neue Zukunft zu tragen. Wenn er nun im Advent ins Glied der Bruderschaft zurücktritt, wird er mit Sicherheit auch an jene gedankenvolle Nac
htfahrt 2005 zurückdenken, die ihn vom Weltjugendtag in Köln in die volle Verantwortung in Taizé trug.

Alexander Brüggemann/Kathpress

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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