Zur Schöpfungszeit
Taste, fühle, berühre!

Intensiv bricht der frühere Abt Otto Strohmaier von St. Lambrecht das Brot und zeigt es den Menschen. Die Handkommunion bekommen sie auf eine der empfindlichsten Stellen ihres Körpers gereicht. | Foto: Neuhold
  • Intensiv bricht der frühere Abt Otto Strohmaier von St. Lambrecht das Brot und zeigt es den Menschen. Die Handkommunion bekommen sie auf eine der empfindlichsten Stellen ihres Körpers gereicht.
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Zur Schöpfungszeit von 1. September bis 4. Oktober wecken Gedanken des Linzer Moraltheologen Michael Rosenberger vor zwei Jahren nicht nur Erinnerungen.

Kleine Kinder essen leidenschaftlich gerne mit den Fingern. Wenn es sich um halbfeste Lebensmittel wie Brot handelt, formen sie daraus Figuren und kneten die weiche Masse intensiv durch. Und wenn es um zähflüssige, klebrige Lebensmittel geht wie Marmelade, Brei oder Kuchenteig, dann verschmieren sie diese mit Freude im ganzen Gesicht.
Kinder genießen das Essen mehr als Erwachsene, denn der Tastsinn rückt beim kultivierten Essen mit Besteck fast völlig in den Hintergrund. Nur noch der Mund ertastet die Nahrung und spürt, ob sie weich ist oder hart, zäh oder knackig. Das ist ein nicht zu unterschätzender Verlust. Und er wiegt umso schwerer, als das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Berührungslosigkeit ist. Sensoren nehmen uns die Berührung von Gegenständen ab, in den alltäglichen Beziehungen herrschen distanzierte Umgangsformen vor, Körperberührungen unterliegen schnell dem Verdacht der Übergriffigkeit. So paradox es klingt, aber bald berühren wir überhaupt nur noch Touchscreens.

Jesus berührt alles und alle, und seine Berührungen heilen. Er ergreift eine Hand, umarmt ein Kind, legt die Hand auf den Kopf einer Kranken. Und er lässt sich berühren, auch von Menschen, die nach dem jüdischen Gesetz als unrein gelten. Jesus ist ein „kontaktfreudiger“ Mensch im wörtlichen Sinn, ein „berührungsfreudiger“ Mensch, und das tut den Menschen in seiner Nähe und ihm selber sehr gut.
Einen Großteil seiner Nahrung hat Jesus wie alle Menschen seiner Zeit mit den Händen gegriffen und zum Mund geführt. Das Brechen des Brotes (bei der Brotvermehrung, Mk 34) vollzieht Jesus offensichtlich so einmalig, dass ihn die Emmausjünger am Osterabend genau daran erkennen (Lk 24,31). Nicht am Klang seiner Stimme. Nicht an seinem Gang. Sondern an seiner Art, das Brot zu brechen. Das ist er, unverwechselbar und einzigartig.
Brot brechen ist ein Tun mit den Händen. Wer Brot bricht, spürt seine Oberfläche, seine Struktur, seine Feuchtigkeit, seine Festigkeit. Ein feines Weißbrot fühlt sich anders an als ein grobes Vollkornbrot. Ein hartes Knäckebrot bricht, ein weicher Brotfladen reißt. Die jesuanische Praxis des Brotbrechens ist ein Feuerwerk an Eindrücken für den Tastsinn. Und die gebrochenen Stücke wandern weiter durch die Hände der austeilenden Jünger in die Hände der hungrigen Menschen. Von Hand zu Hand wandert das Brot, als „handgreifliche Speise“, wird berührt und erspürt. Diese Berührung ist sehr lustvoll – sie weckt Vorfreude auf den Verzehr, denn was gibt es Köstlicheres als ein gutes Brot! Auch hier also, im Umgang mit den Lebensmitteln, ist Jesus kontaktfreudig.

Ich lade Sie ein, das Brot bei Ihrer nächsten Mahlzeit mit geschlossenen Augen zu betasten. Spüren Sie, wie wundervoll diese Berührung ist! Die Handfläche ist eine der drei tastempfindlichsten Zonen unseres Körpers. Nur die Fußsohlen und die Gesichtshaut sind ähnlich sensibel für Berührungen. Wenn wir die Eucharistie auf unserer Handfläche entgegennehmen, dann berührt uns Jesus an einer der empfindsamsten Stellen unseres Körpers.

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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