„Rockerpriester“ Guy Gilbert
Lebe das Evangelium

Mit langen Haaren und Lederjacke wirkt Guy Gilbert eher wie ein Rockstar als wie ein Priester. In seinen zahlreichen Medienauftritten erzählte er von seinen „Underdogs“: Jugendliche, die auf der Straße oder im Gefängnis leben. Für sie setzt er sich ein. | Foto: flickr
  • Mit langen Haaren und Lederjacke wirkt Guy Gilbert eher wie ein Rockstar als wie ein Priester. In seinen zahlreichen Medienauftritten erzählte er von seinen „Underdogs“: Jugendliche, die auf der Straße oder im Gefängnis leben. Für sie setzt er sich ein.
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Der „Rockerpriester“ Guy Gilbert ist 85. Mit Lederjacke war er beim Papst. Sein Einsatz gilt der Jugend.

Die Kirche rede immer von der Liebe zu den Bedürftigen. „Aber wenn sie diese Liebe nicht lebt, dann soll sie die Klappe halten.“ Guy Gilbert liebt Kraftausdrücke. Liebt es, die Bigotten aufzuschrecken und die Kirchenfernen mit seinem Outfit zu verblüffen. Der da, ein katholischer Priester? Die langen grauen Haare, die abgewetzte Lederkutte, dicke Ringe am Finger. Ja, in seinen ewigen Cowboystiefeln hat Guy Gilbert ein ungewöhnliches Priesterleben durchlaufen. Er hat es vor allem Jugendlichen gewidmet, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Am 12. September ist er 85 Jahre alt.
Mit drei Päpsten hat der „Rockerpriester“ aus dem westfranzösischen Rochefort schon gesprochen – in Lederjacke, versteht sich. Mit Franziskus ist er am besten klargekommen. Der segne nicht nur die Bettler und Obdachlosen auf dem Petersplatz, sondern habe für sie auch Duschen und Toiletten aufgestellt, sagte Gilbert über die Begegnung 2015. Das ist auch sein Weg: die richtige Ansprache finden, Vertrauen schaffen – und dann konsequent handeln.

Einsatz für Jugendliche
Seit einem halben Jahrhundert kümmert sich Gilbert um Straßenkinder, Drogenabhängige und jugendliche Straftäter. Im Algerien-Krieg parallel zum Militärdienst in Algier zum Priester ausgebildet und 1965 geweiht, kehrte er 1970 nach Frankreich zurück – und fand bei den Jugendlichen im 19. Pariser Arrondissement seine Bestimmung.
Für gestrauchelte und gestrandete Jugendliche kaufte er 1974 in der Verdon-Schlucht nahe dem südfranzösischen Castellane einen verfallenen Bauernhof, wo Jugendliche, auch mit Hilfe von Tieren, soziales Verhalten lernen sollen. Rund 250 Jugendliche beteiligten sich über die Jahre am Wiederaufbau der Bergerie de Faucon, die sich über die Zeit zu einem spirituellen Pilgerort entwickelt hat.
Gilbert bringt den Jugendlichen, die ihm gerichtlich zugewiesen werden, hier gesellschaftliche Grundregeln bei – indem sie Tiere betreuen. Kühe, Hunde, Wildschweine, Strauße, Kängurus und Büffel leben mit den teils nicht einmal 14 Jahre alten Kindern, die alle ein Vorstrafenregister mitbringen. Gilbert selbst hat als drittes von 15 Kindern von seinen Eltern viel Liebe erfahren; etwas von diesem Rückhalt will er weitergeben. Er will beweisen: Die Liebe Gottes gibt es auch für sie.

„Trag ihn bis an dein Lebensende“
Zu einem seiner Silberringe an der Hand hat Gilbert eine Geschichte: Eines Nachts habe er einen Burschen auf der Straße getroffen und ihm geholfen, seine Mutter wiederzufinden, eine Prostituierte. Später habe dieser Bursche ihm diesen Ring gegeben und ihm aufgetragen: „Trag ihn bis an dein Lebensende!“ Das tue er – als ein Symbol für alle Jugendlichen, für die er da ist. Für sie da sein – dazu gehört auch, in der Apotheke „Dutzende Kondome“ für sie zu kaufen. Denn, so ist Guy Gilbert überzeugt, es reiche nicht aus, ihnen zu sagen, dass sie „sich beherrschen sollen“.
Ehrungen sind, obwohl ihm einige verliehen wurden, nicht wirklich sein Ding – das sei nur Zeitverschwendung: „Lebe das Evangelium, so gut du kannst. Das ist nie Zeitverschwendung.“

ALEXANDER BRÜGGEMANN

Autor:

SONNTAGSBLATT Redaktion aus Steiermark | SONNTAGSBLATT

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